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Politik: Nach dem gescheiterten Referendum sieht sich Italiens Oppositionsführer gestärkt

Mit einer totalen Pleite für die Initiatoren und Befürworter endeten am vergangenen Sonntag in Italien die Abstimmungen über sieben Referenden, bei denen es auch um die Einführung des reinen Mehrheitswahlrechts ging. Zwar überwog nach Auszählung der Stimmen in sechs der Anträge das "Ja".

Mit einer totalen Pleite für die Initiatoren und Befürworter endeten am vergangenen Sonntag in Italien die Abstimmungen über sieben Referenden, bei denen es auch um die Einführung des reinen Mehrheitswahlrechts ging. Zwar überwog nach Auszählung der Stimmen in sechs der Anträge das "Ja". Doch da sich nach amtlichen Angaben gerade mal 32,1 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne begeben hatte, blieben die Zahlen weit unter dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen "Quorum": Danach müssen mindestens 50 Prozent aller Wahlberechtigten abstimmen, um dem Volksbegehren Gültigkeit zu verschaffen. Bei einem Referendum im April 1999 war ebenfalls die erforderliche Mehrheit verpasst worden.

Aufgegangen ist damit die Rechnung von Oppositionsführer Silvio Berlusconi, der noch vor zwei Jahren zu den entschiedensten Verfechtern der Anträge gezählt, sich mittlerweile aber anders besonnen hatte: Er hatte zum Abstimmungsboykott aufgerufen und konnte dabei auch auf eine Querbeet-Koalition kleinerer Parteien aus dem Koalitionslager zählen. Diese hatten vor allem jenes Referendum gefürchtet, das für künftige Wahlen das reine Mehrheitswahlrecht nach englischem Muster vorsah und darauf zielte, dass am Ende nur noch zwei große Parteien übrig blieben.

Deshalb reklamiert der Mailänder Medienmogul denn auch die erfolgreiche Strategie allein für sich: "Dies ist mein Sieg, ganz alleine", tönte er und teilte auch einige Seitenhiebe auf seine Kollegen von der äußersten Rechten aus, die gegen den Boykott und für das Mehrheitswahlrecht optiert hatten: "Die Nationale Allianz muss einsehen, dass sie falsch gelegen hat." Nun habe, so Berlusconi, das Kabinett Amato schleunigst zurückzutreten, denn sein Sieg sei gleichzeitig auch die Niederlage der Regierung.

Dort leckt man sich die Wunden, allen voran der größte Koalitionspartner, die Linksdemokraten: Sie vor allem hatten an der Idee des Mehrheitswahlrechts festgehalten, obwohl diese ursprünglich gar nicht von ihnen, sondern von der Radikalen Partei und der Demokratischen Partei vorangetrieben worden war, und obwohl bereits seit langem abzusehen war, dass die Italiener sich nicht mehr so sehr wie noch vor wenigen Jahren für Fragen des Wahlrechts interessieren. So klammern sich die Führer der Linksdemokraten vor allem an die Tatsache, dass immerhin diejenigen, die zur Abstimmung gegangen waren, zu über 80 Prozent für die Wahlrechtsänderung waren.

Doch nun vollzieht Berlusconi bereits den nächsten Schwenk: Plötzlich spricht er nicht mehr, wie seit Monaten, von sofortigen Neuwahlen - jetzt will auf einmal auch er ein neues Wahlrecht noch vor den nächsten Wahlen. Die müssten regulär im April 2001 stattfinden. Nach Berlusconis Plan soll Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi ein reines Technokraten-Kabinett ohne Parteibindung ernennen, mit dem ausschließlichen Ziel, diese Wahlrechtsreform durchs Parlament zu bringen, den Haushalt 2001 zu verabschieden und dann wieder abzutreten.

Dabei favorisiert er nun ein Mischsystem aus Verhältnis- und Persönlichkeits-Wahlrecht nach deutschem Vorbild, mit einer relativ hohen Sperrklausel und der Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums. Damit, hofft Berlusconi, hat er ein neues Kuckucksei ins Nest der derzeitige Koalition gelegt - auch dort gibt es, besonders in den Zentrumsparteien, nicht wenige Befürworter des deutschen Wahlrechts und des Kanzler-Systems.

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