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Politik: Nach dem US-Militärschlag: Held der Massen

Ob die neuesten Luftangriffe britischer und amerikanischer Kampfflugzeuge Saddam Hussein dazu bewegen werden, die alliierten Kontrollflüge über irakischem Territorium zu akzeptieren, ist fraglich. Eindeutig ist dagegen, dass die Bombardierung die Reihen in der arabischen Welt wieder ein Stück fester geschlossen hat.

Ob die neuesten Luftangriffe britischer und amerikanischer Kampfflugzeuge Saddam Hussein dazu bewegen werden, die alliierten Kontrollflüge über irakischem Territorium zu akzeptieren, ist fraglich. Eindeutig ist dagegen, dass die Bombardierung die Reihen in der arabischen Welt wieder ein Stück fester geschlossen hat. Die Regierungen in der Region lehnen die Angriffe einhellig ab. Nur die Golfstaaten und Kuwait, die von den USA zur Verteidigung ihrer Länder abhängig sind, hielten sich in ihren Äußerungen zurück.

Die Bevölkerung in den arabischen Ländern, die sich seit Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada in bisher einmaliger Weise mit den Palästinensern solidarisiert, verbrüdert sich nun noch stärker mit der irakischen Bevölkerung. Die Auseinandersetzung in Palästina und die amerikanische Politik gegen Irak vermischen sich immer mehr zu einem Themenkreis: Die Beerdigung eines von israelischen Soldaten erschossenen Palästinensers in Hebron schlug am Sonnabend in eine Demonstration zur Unterstützung Iraks um. Die 2000 Teilnehmer verbrannten US-Flaggen und Bilder von Präsident George W. Bush. Bereits am Abend der Bombenangriffe war es in den Palästinenserstädten zu spontanen Demonstrationen gekommen.

In Amman protestierten am Sonnabend Oppositionspolitiker und Gewerkschaftler, darunter Kinder und Frauen, vor der irakischen Botschaft gegen die Luftangriffe. "Wir sind mit Euch und gegen Amerika", skandierten die Demonstranten. So hat US-Präsident George W. Bush viel dazu beigetragen, Saddam Hussein in seiner selbstgewählten Rolle als Schutzherr der Palästinenser zu stärken. Schon während des Golf-Krieges pflegte er dieses Bild. Und seit Beginn der neuen Intifada versucht Saddam nun, mit unnachgiebigen Positionen und finanzieller Unterstützung von Palästinenserfamilien die Gunst der Bevölkerungen in der gesamten arabischen Welt zu gewinnen.

Diese werfen ihren eigenen Regierungen vor, untätig zuzusehen, wie die israelische Armee palästinensische Kinder und Jugendliche erschießt. Die arabischen Regierungen haben es bisher noch nicht einmal geschafft, die beim arabischen Gipfel im Oktober beschlossenen Fonds für die Palästinenser auszuzahlen. Saddam dagegen verschickt medienwirksam Schecks über 10 000 Dollar an jede Familie, die ein Familienmitglied verloren hat. Insgesamt 940 Millionen Dollar (etwa 1,9 Millionen Mark), die aus den von den UN erlaubten Ölexporten stammen, hat Irak angeblich bisher für solche Zahlungen zur Verfügung gestellt.

Der Ableger der irakischen Regierungspartei in den Palästinensergebieten, die Arabische Befreiungsfront, hat die arabischen Regierungen aufgerufen, US-Botschaften zu schließen und US-Verteidigungsminister Powell bei seinem anstehenden Besuch nicht zu empfangen. Den Bombenangriff vom Freitagabend hat Saddam dann auch sofort als Reaktion auf sein Engagement in Palästina erklärt. Um dies zu unterstreichen, hat er am nächsten Morgen die Aufstellung von 21 Divisionen der Freiwilligenarmee zur "Befreiung Jerusalems" angeordnet. Die Aufstellung einer solchen Truppe, der sich insgesamt bis zu 6,5 Millionen Menschen anschließen sollen, hatte Saddam Hussein zu Beginn des Monats verkündet. Dass dies in einem von Sanktionen gebeutelten Land eher reine Rhetorik ist, schmälert den politischen Profit dieser Aktion kaum.

Da kann der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Ephraim Sneh noch so sehr vor einer Annäherung zwischen Irak, Syrien und Iran warnen - britische und amerikanische Bombenangriffe forcieren diese geradezu.

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