zum Hauptinhalt
Merkel

© dpa

Nach Hessen-Wahl: Stoppzeichen von der Chefin

Merkel nimmt ihren Wiesbadener Ex-Rivalen Koch nach dem Hessen-Wahlkampf erneut in Schutz – dieses Mal allerdings mit kleinen Einschränkungen.

Von Robert Birnbaum

Die CDU-Vorsitzende fand es dringend an der Zeit, die Begeisterung zu bremsen. Eine ganze lange FAZ-Seite umfasst Angela Merkels jüngstes Interview; aber der zentrale tagesaktuelle Satz war denkbar kurz: „Roland Koch hatte in seinem Wahlkampf die volle Unterstützung der CDU und meine als Vorsitzende.“ Ein „Stoppsignal“ nennt ein Unionsmann den Satz, gerichtet an all jene in der Partei, die in Versuchung waren, auf einen scheinbar unaufhaltsam rollenden Zug zu springen. Dass das Signal bei manchem ankam, schon bevor das Frankfurter Intelligenzblatt an den Kiosken zu haben war, konnten „Bild“–Käufer am Freitag nachlesen. Der gleiche Jörg Schönbohm, der tags zuvor noch selbst dem Wahlkämpfer Koch „Fehler“ attestiert hatte, erregte sich über jenen offenen Brief von 17 Parteifreunden, die das Gleiche sehr viel indirekter getan hatten. Jetzt kritisierte der brandenburgische Innenminister zur Abwechslung die Kritiker: Sie verhielten sich „wie man es in der CDU häufig erlebt: Wenn einer von ihnen in schwere See gerät, werden die Wellen noch zusätzlich erhöht.“

Man sieht, das Stoppsignal war fällig. Seit dem Wahlabend, an dem Roland Koch in Hessen beinahe unterging, schien der einstige starke Mann der CDU innerparteilich zum Abschuss freigegeben. Die Distanzierungen begannen schon in der Nacht – in der politisch korrekten Form, dass Koch ja vielleicht im Wahlkampf nicht genug auf seine wirtschaftlichen Erfolge vertraut habe. Der Brief der 17 benannte erstmals – indirekt, doch unübersehbar – den Kern: Integrationspolitik dürfe nicht zum Wahlkampfthema „degradiert“ werden. Das war klar gegen Koch gerichtet – und sollte sich gegen ihn wenden, auch wenn flugs alle Unterzeichner das Gegenteil versicherten.

Dass auch Merkel Kochs Scheitern nicht unlieb war, steht auf einem anderen Blatt – hätte der Hesse zum zweiten Mal einen brutalstmöglichen Wahlkampf gewonnen, müsste sie sich heute eines ganzen Ansturms konservativer Truppen erwehren, es Koch gleichzutun. Auf einem anderen Blatt steht aber die innerparteiliche Solidarität. Koch hat Merkel gestützt, als sie die Bundestagswahl 2005 fast verloren hatte. Das Gleiche schuldet sie ihm – schon um sich nicht von den verstörten konservativen Truppen den Vorwurf der Illoyalität einzuhandeln.

Merkel also stellt sich hinter Koch – mit einer kleinen Einschränkung: Das Thema Jugendkriminalität gehöre auch in Wahlkämpfe, allerdings „auf der Basis der Wiesbadener Erklärung der CDU“. Doch sie will in dem Interview noch etwas anderes loswerden, etwas, was die CDU und ihre Chefin letztlich stärker bewegt als der Fall Koch. Soziale Gerechtigkeit, sagt Merkel, sei nicht das Monopol der SPD. Gerechtigkeit und Solidarität gehörten vielmehr „durch die christliche Soziallehre zu unseren Grundlagen“. Das müsse die Union den Menschen noch deutlicher als bisher vor Augen führen.

Was das praktisch bedeuten könnte, darauf hat Merkels Fraktionschef Volker Kauder einen kleinen Hinweis gegeben. „Ohne Antworten auf die Fragen, die die Linke aufwirft, können wir uns nicht davonstehlen“, hat Kauder dem Magazin „Focus“ gesagt. Der Satz ist beachtlicher als all die anderen aus CDU und CSU, die die SPD auffordern, das „Ausputzen am linken Rand“ (CSU-Chef Erwin Huber) gefälligst alleine zu erledigen. Kauder weiß nämlich, wovon er spricht. Er hatte als CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg einst die „Republikaner“ am Hals. Die Rechtspartei verschwand, als der Asylkompromiss der Volksparteien ihr das Thema nahm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false