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Chefsache. Russlands Sportminister Witali Mutko, Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin sowie die Präsidenten Wladimir Putin (Russland) und Joseph Blatter (Fifa, v.l.) betrachten ein Modell des Luschniki-Stadions, in dem 2018 das WM-Finale ausgetragen wird.

© picture alliance / dpa

Nach Rücktritt von Sepp Blatter: Die Fifa muss die WM-Vergabe an Russland und Katar überdenken

An der Spitze der Fifa wird nach dem angekündigten Rückzug von Präsident Joseph Blatter aufgeräumt. Und das bietet auch die Chance, alte Beschlüsse neu zu bewerten - etwa die umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Zeit zum Aufräumen! Und wie. Die Fifa muss sich in den Strukturen verändern, sie muss, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit erhalten will. Und ihre Zukunftsfähigkeit als Ausrichter großer Fußballfestivals. Nur eben nicht mehr wie in der Vergangenheit, abhängig von Launen und Vorlieben und Geld, aus welchen Kassen auch immer.

Theo Zwanziger hat recht

Und wenn dann doch an der Spitze aufgeräumt wird – oder, für den Anfang, umgeräumt –, hoffentlich zu mehr Demokratie und Mitsprache, ist dann jetzt nicht auch der Zeitpunkt gekommen, eigene Beschlüsse noch einmal kritisch zu betrachten? Also in demokratisch verfassten Institutionen ergibt sich ja öfter mal ein Machtwechsel, und nach einem solchen Wechsel kann daraus ein Richtungswechsel folgen. Beschlüsse, die in der vorangegangenen Legislaturperiode gefasst wurden, kommen in die Revision, werden vielleicht neu eingebracht, werden geändert, weil manches daran abgelehnt wird. Im Klartext: Eine neue Führung der Fifa muss die Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar neu thematisieren. Sie muss ihren Delegierten die Gelegenheit geben, sich womöglich neu zu positionieren. Oder die alten Beschlüsse noch einmal zu legitimieren, im vollen Bewusstsein der Kritik.

Und die ist nicht gerade leise. Der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger, gerade auf dem Fifa-Exekutivkomitee ausgeschieden, war zum Beispiel früh gegen die WM in Katar. Es ist sicher ein bisschen hart, wie Zwanziger das begründet – aber die Fifa muss sich andererseits daran gewöhnen, dass bei ihr gestritten wird. Sie ist zwar ein Verein, aber kein Gesangverein Harmonie. Auseinandersetzung gehört zur Demokratie!

Wie also sagt Zwanziger? Dass er jetzt, mit Blatters Rücktritt als Riesenchance, auf eine Neuvergabe der WM 2022 hofft: „Ich habe immer klar gesagt, dass Katar ein Krebsgeschwür des Weltfußballs ist. Kann man einem Land, das halb so groß ist wie Hessen, das weltgrößte Fußballereignis anvertrauen? Nein, ich glaube, das muss noch mal aufgearbeitet werden. Für Katar ist noch ausreichend Zeit.“ Recht hat Zwanziger. Zumal vor dem Hintergrund unwürdiger Arbeitsbedingungen wie auch des Anspruchs der Weltverbands, die Menschenrechte hochzuhalten. Da dürfen die nirgends mit Füßen getreten werden.

Bei der Vergabe war von der Krim-Annexion noch keine Rede

Was wiederum zur WM 2018 führt. Russland, einer von Blatters treuesten Verbündeten im Kampf um den Präsidentenstuhl, hat dessen Rücktritt konsterniert aufgenommen. Weil er für Moskaus Interessen unangenehm, ja beunruhigend ist. Bei der Vergabe war von der Krim-Annexion und dem Krieg mit und um die Ukraine noch keine Rede. Jetzt aber, und da kann keiner so tun, als ginge es einfach so weiter wie bisher. Im Lichte der Ereignisse Entscheidungen zu überdenken, falsche zu revidieren – darum geht es.

Greg Dyke, Verbandschef aus England, hat hier im Grundsatz die richtige Haltung. Sein Vorschlag eines WM-Boykotts ist allerdings überholt. Besser ist, eine Neuvergabe auch dieser WM per Votum herbeizuführen. Das erteilt dann zugleich allen Spekulationen eine Absage. Spekulationen in jeglicher Hinsicht übrigens, politischen wie finanziellen. Dann wäre die Fifa auch noch gereinigt und gelüftet.

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