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Andrea Nahles, neue Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Nach Wahl zur Parteivorsitzenden: Linke hofft auf Kursschwenk der SPD unter Andrea Nahles

SPD-Vorsitzende ist Andrea Nahles jetzt - auch wenn ihr ein Drittel des Parteitags in Wiesbaden die Zustimmung versagte. Nun richten sich große Hoffnungen auf sie, innerhalb und außerhalb der Partei.

Nach der Wahl von Andrea Nahles zur SPD-Vorsitzenden hoffen Teile der Linkspartei auf einen Linksschwenk der Sozialdemokraten. „Mit Nahles' Ursprung aus der sozialdemokratischen Parteilinken und ihrem Bekenntnis zu Mitte-Links verbinden nicht wenige innerhalb und außerhalb der SPD ein kleines Fünkchen Hoffnung auf die Resozialdemokratisierung der SPD“, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der Deutschen Presse-Agentur. Die neue Parteichefin werde das Steuer bei den Sozialdemokraten nicht herumreißen können, „solange sich die SPD an Merkel und Seehofer kettet“.

Nicht alle in der Linkspartei stimmt Nahles Wahl so zuversichtlich: Linke-Chef Bernd Riexinger etwa bezweifelt, dass sich die SPD wie angekündigt erneuern wird. „Wie die Erneuerung der SPD zu einer Politik des „Weiter so“ in der schwarz-roten Bundesregierung passt, ist fraglich“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „Erneuerung der SPD hieße, Kurs auf soziale Gerechtigkeit zu nehmen. Doch Scholz und Nahles stellen sich in die Tradition von Basta-Schröder und beharren auf der Agenda-Politik.“

Nahles ist die erste Frau an der Spitze der SPD in deren mehr als 150-jähriger Geschichte. Ein Sonderparteitag wählte sie am Sonntag in Wiesbaden. Die Delegierten verpassten Nahles aber einen klaren Dämpfer: Sie erhielt nur eine Zustimmung von 66,3 Prozent. Ihre Gegenkandidatin, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, schnitt stärker ab als erwartet.

Nahles sagte im „Heute-Journal“ des ZDF, sie finde ihr Ergebnis „absolut vertretbar“. Die SPD habe in den vergangenen Monaten sehr hart um den richtigen Weg gerungen. „Und offensichtlich gibt es da immer noch viele, die skeptisch sind, ob wir wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben.“ Nahles versprach: „Ich trete ab morgen den Beweis an, dass Regieren und Erneuern möglich ist.“

Lange traut Nahles viel zu. „Ich bin mir sicher, dass sie eine starke Parteivorsitzende sein wird“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dass sie selbst überraschend 27,6 Prozent der Stimmen bekommen hat, sei aber auch eine Mahnung. „Es bestätigt das große Bedürfnis nach Veränderung, nach echter Erneuerung - also auch nach neuen Köpfen“, sagte Lange. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag) kündigte sie an, sich auf jeden Fall weiter in der SPD zu engagieren.

Parteivize Stegner: "Sie wird das Vertrauen gewinnen"

Die SPD-Führungsspitze hat der neuen Parteivorsitzenden Andrea Nahles nach ihrem mageren Wahlergebnis demonstrativ den Rücken gestärkt. "Sie wird auch das Vertrauen derer gewinnen, die nicht für sie gestimmt haben", sagte Parteivize Ralf Stegner am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Wenn sie wieder kandidiere, werde das Ergebnis auch nach oben gehen. Angesichts des SPD-Umfragetiefs und dem Bundestagswahlergebnis sei auch kein 80-Prozent-Ergebnis zu erwarten gewesen.

Auch SPD-Vize Malu Dreyer sieht genug Rückhalt für Nahles in der Partei. "Ich bin überzeugt, dass Andrea Nahles genug Rückenwind hat", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin der "Rheinischen Post". Auf dieser Grundlage könne sie "sehr gut arbeiten". Dreyer räumte aber ein, dass sie mit einem besseren Ergebnis für Nahles gerechnet hätte.

Die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig zeigte sich überzeugt, dass Nahles für das Amt genau die Richtige sei, "weil sie die Kraft und das Stehvermögen besitzt, um die Partei wieder nach vorne zu führen und zu einen". Es sei aber klar, dass ein "schwerer und steiniger Weg" vor der SPD liege, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern der "Passauer Neuen Presse". Auch Schwesig hob hervor, dass sie sich ein besseres Ergebnis für Nahles gewünscht hätte. Nach den vergangenen Monaten sei aber klar gewesen, "dass viele in der Partei unzufrieden sind". Sie hätten sich offenbar in der Kandidatur von Lange wiedergefunden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mahnte seine Partei eindringlich zur Geschlossenheit. "Wenn die SPD jetzt permanent nur nach innen schaut und nach innen streitet, dann sind die Erfolgsaussichten überschaubar", sagte Weil im Norddeutschen Rundfunk. "Das Teamspiel in der SPD und vor allem in der SPD-Führung war ausbaufähig." Die SPD-Linke Hilde Mattheis wertete das magere Ergebnis für Nahles im Südwestrundfunk (SWR) als Mahnung dafür, "jetzt wirklich auf einen Erneuerungskurs zu gehen". Jetzt müssten "wirklich Taten folgen".

Linke: Erneuerung und "Weiter so" passt nicht zusammen

Doch in der SPD glauben nicht alle daran, dass Nahles das Ruder herumreißen können wird. Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) kritisierte etwa die Erneuerungsbemühungen seiner Partei. „Erneuerung ist zur Leerformel geworden“, sagte Ude am Montag im Deutschlandfunk. Der SPD fehle es an konkreten Gesetzesinitiativen und Reformvorlagen - auch die Jungsozialisten hätten keine.

Und die Parteilinke Hilde Mattheis kritisierte, die SPD habe bei ihrem Sonderparteitag „wieder eine Chance vertan“. Im Radioprogramm SWR aktuell sagte sie: „Wir hatten Anträge gestellt auch zum Thema: Korrigiert doch endlich mal Hartz IV, korrigiert doch mal die Agenda-Politik.“ Eine weitere Verzögerung dieser Änderungen behindere den Erneuerungsprozess in der Partei.

Auch der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert verlangte, ernst zu machen mit der angestrebten Erneuerung. Es dürfe „jetzt keine künstliche Ruhe in der SPD einkehren“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. „Das wäre der genaue Fehler, den wir jetzt machen könnten.“ Nahles sagte im „Bericht aus Berlin“ der ARD: „Ich glaube, wir brauchen wirklich einen Aufbruch für Debatte in unserer Partei, die ausstrahlt. Das ist es, was ich mit Erneuerung verstehe und das hat es so, glaube ich, in der Vergangenheit noch nicht gegeben.“ (AFP,dpa)

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