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Angela Merkel

© REUTERS/Ralph Orlowski

Nachfolge von Angela Merkel: Mutti ist noch nicht am Ende

Zwar deutet sich in der Union ein Wandel an. Doch wer Angela Merkel an der Spitze ablösen will, muss es erst mit ihr aufnehmen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Wenn normale Politiker anfangen, über ihre Nachfolge zu reden, dann ist gemeinhin das Ende nah. Bei Angela Merkel muss man da mit Prognosen allerdings doch etwas vorsichtig sein. Wer seit 13 Jahren Bundeskanzlerin ist, obwohl Fernsehexperten und andere Polit-Astrologen vom ersten Tag an und oft im Monatsrhythmus ihr baldiges Ende prophezeit haben, passt erkennbar nicht richtig in die Norm. Gerade haben die Sterndeuter wieder Konjunktur. Und Merkel hat sich zu ihrer Nachfolge geäußert. Beides zusammen lässt eigentlich nur einen Schluss zu: So nahe, wie es etliche kaum mehr abwarten können, scheint ihr Ende schon wieder nicht zu sein.

Die scheinbar aufsehenerregenden Sätze sind im Hessen-Wahlkampf gefallen. Wenn die CDU nach der Landtagswahl am Sonntag die Macht in Wiesbaden verliert, lautet bekanntlich die einschlägige Spekulation, dann wird ihr das beim Parteitag im Dezember zum Schicksal. Im Hessischen Rundfunk hat Merkel widersprochen: Man könne nicht jede Landtagswahl zur kleinen Bundestagswahl stilisieren.

Die Demokratie ist keine Erbmonarchie - das weiß Merkel

Das muss sie natürlich so sagen. Der Nachfrage, ob sie nicht wenigstens bald ihre Nachfolge regeln müsse, hätte sie ausweichen können. Hat sie aber nicht. Stattdessen bekamen HR-Hörer Merkel pur und ungeschminkt: Alle Versuche, die eigene Nachfolge regeln zu wollen, seien immer und überall total schiefgegangen - „und das ist auch richtig so.“

Das ist es, erstens, in der Tat. Eine Demokratie ist keine Erbmonarchie. Sie ist auch kein Familienbetrieb. Die gelernte DDR-Bürgerin Merkel hat das genauer verstanden als viele gelernte West-Demokraten. Sie kam als Unwahrscheinliche nach oben, hat Konkurrenten meist einfach sich selbst erledigen lassen und auch sonst eine Art politischen Darwinismus vertreten: Wer ein Amt in der Partei oder im Kabinett bekommt, kriegt es als Chance; er muss aber selber zusehen, dass er etwas daraus macht. Ihr Spitzname „Mutti“ verrät einiges über die frühkindlichen Komplexe derer, die ihn ihr verpasst haben. Auf die Frau im Kanzleramt passt er eher nicht.

Mutti wird, zweitens, den Kinderchen das Erbe deshalb auch nicht fertig portioniert servieren. Sie hat Parteifreunden, die sie für zukunftsträchtig hält, eine günstige Ausgangsposition verschafft - Annegret Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin, aber, etwas weniger freiwillig, auch Jens Spahn als Minister. Andere haben sich Ministerpräsidentenposten selbst erkämpft. Die Fraktion hat ihr schließlich Ralph Brinkhaus vor die Nase gesetzt.

Ein Kandidat von Merkels Gnade wäre zu wenig für das Amt

Dass Merkel sich das als Erneuerung selbst anrechnet nach dem Motto, damit könne es jetzt erst mal gut sein, ist natürlich ein Trick. Trotzdem war gerade Brinkhaus' Wahl ein gutes Zeichen dafür, dass die CDU nicht verlernt hat, die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen. Nur ein Emanzipationsprozess verleiht dem oder der Neuen die nötige Aura. Ein Kandidat von Merkels Gnaden wäre bloß genau das, also zu wenig für das Amt.

Dies vor Augen steckt, drittens, in dem Satz über die Nachfolge aber zugleich eine rauflustige Doppelbotschaft: Wenn einer nach mir was werden will, muss er darum kämpfen – und wenn er's vor der Zeit anstrebt, muss er's mit mir aufnehmen. Wer ihr nachfolgt, kann Merkel nicht verfügen. Beim Zeitpunkt will sie mitreden. Der Zeitpunkt, findet sie, ist nicht jetzt. Die Wahl in Bayern hat ihre hartnäckigsten Gegner in die Defensive gebracht. Die absehbare Klatsche in Hessen wird nicht als Denkzettel für ihre Flüchtlingspolitik verbucht, sondern als Quittung für den fruchtlosen Streit darüber. „Ansonsten macht mir meine Arbeit Freude“, hat Merkel im gleichen Interview angemerkt. Alle Ehrgeizigen wissen damit Bescheid: Umsonst kriegen sie's nicht.

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