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Testen und informieren - die Gesundheitsämter sind im Zentrum des Geschehens.

© Britta Pedersen/dpa

Nächste Phase bei der Eindämmung der Pandemie: Vom nationalen zum lokalen Kampf gegen das Virus

Vom Bund über die Länder in die Städte und Kreise – wie die Corona-Epidemie nach den Lockerungen kontrolliert und gemeistert werden soll.

Wer wissen möchte, wie es weitergehen wird mit dem Management der Coronakrise, der schaut sich am besten die Webseite des Robert Koch-Instituts an.

Dort finden sich viele Zahlen und einige Karten: die bisherigen Coronafälle in ganz Deutschland, in den 16 Ländern und darüber hinaus auch in den Stadt- und Landkreisen. Für Berlin bekommt man Bezirksdaten. Auf der Webseite des Tagesspiegels lässt sich das sogar noch besser verfolgen, weil hier noch aktuellere Daten verarbeitet werden.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Und wer die etwas verwirrende Debatte um Lockerungen und Beschränkungen, über die angeblichen oder tatsächlichen Strategien der Bundesregierung, über das Verhalten einzelner Ministerpräsidenten und sogar der Lokalpolitiker verstehen will, der wird hier wie dort gut bedient – ganz nüchtern, mit Zahlen und interaktiven Karten. Denn was nun folgen wird in den kommenden Wochen und Monaten, ist eine Wanderung der Verantwortung für die weitere Eindämmung des Virus vom Bund über die Länder in die Kommunen.

Natürlich gibt es auch in der Coronakrise kleinere und größere Machtkämpfchen in der Politik, mit der Kanzlerin oder gegen sie oder auch zwischen einzelnen Länderchefs. Der eine prescht vor, andere mahnen zur Zurückhaltung. Das hat, wie immer, auch mit politischer Profilierung zu tun und mit den üblichen Eitelkeiten unter Politikern. Aber es ist auch schon eine Begleiterscheinung dieses Wanderungsprozesses.

Es ging um ganz Deutschland – natürlich schauten alle nach Berlin

Angela Merkel und ihr Kabinett waren in der Anfangsphase der Krise zwangsläufig die wichtigsten Krisenmanager. Sie gaben die Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor, sie legten die Milliardenprogramme auf, mit denen die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie abgefedert werden sollen. Sie nahmen die Rolle der Hauptverantwortlichen ein.

Es ging um die Zahlen für ganz Deutschland, die stetig nach oben gingen, um internationale Vergleiche, um – es war die Zeit der bundesweiten Maßnahmen, es war eine Herausforderung von nationaler Tragweite (was natürlich noch lange so bleiben wird). Und damit eine Sache der nationalen Regierung. Die Blicke richteten sich nach Berlin. Merkel, Finanzminister Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Peter Altmaier – ihnen vor allem gehörten die Schlagzeilen in den ersten Wochen. Bis in den April hinein hatten sie sozusagen die Krone auf.

Anfangs schauten alle nach Berlin, auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit. Das ändert sich jetzt.
Anfangs schauten alle nach Berlin, auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit. Das ändert sich jetzt.

© dpa/Michael Kappeler

Zeit der Differenzierung

Aber dann begann die Zeit der Differenzierung. Das Infektionsgeschehen, zuvor eine recht unberechenbare und Gefahr verheißende Angelegenheit, konnte besser beobachtet und eingeschätzt werden – von Tag zu Tag war immer deutlicher zu erkennen, wie sich Deutschland sozusagen in seine Corona-Teile zerlegen lässt.

Im Süden waren und blieben die Zahlen höher, im Norden und Osten teils deutlich geringer. Es gab und gibt Ecken in der Republik, da verbreitet sich das Virus in verblüffend geringem Maß - jedenfalls gibt es nur sehr kleine Zahlen erkannter Neuinfektionen. Der Kreis Heinsberg, zu Beginn der Epidemie ein Hotspot, der international beobachtet wurde, war plötzlich kaum noch ein Thema. Er ist jetzt nur noch einer unter vielen, ein Durchschnittskrisenherd.

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So kamen aber auch die Regionalpolitiker wieder stärker zu Wort, die darauf deuteten, das das Geschehen eben sehr unterschiedlich verläuft. Schnell war vom Flickenteppich die Rede, wo es doch gerade erst um eine nationale Krise ging. Aber das ist, angesichts der Entwicklung, banale Normalität.

Und der Flickenteppich, wenn man schon das abgenutzte Bild benutzen will, wird bald noch bunter. Denn die Bekämpfung des Virus wird in naher Zukunft nicht zuletzt Sache der lokalen Behörden werden – mit den Gesundheitsämtern im Mittelpunkt, für die Stadt- und Landkreise verantwortlich sind.

Logische Folgen

Die von einigen Ministerpräsidenten schon umgesetzten oder nun angekündigten Lockerungen sind die logische Folge eines nachlassenden Infektionsgeschehens mit regional unterschiedlicher Kraft. Hatte sich noch im März der bayerische Ministerpräsident Markus Söder als Treiber bei den Beschränkungen gezeigt, weil in Bayern eben die Zahlen Anlass zu besonderer Besorgnis gaben, sind es nun andere Länderchefs, am Wochenende vor allem Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt, am Montag Stephan Weil in Niedersachsen, die auf baldige Lockerungen mit Blick auf die Situation in ihren Ländern dringen.

Noch wollen Merkel und ihre Regierung das Heft allerdings nicht aus der Hand geben und beharren auf gemeinsamen Beschlüssen. Da spielen zwei Punkte eine Rolle. Zum einen die Befürchtung, zu große Regionalisierung oder gar Lokalisierung bei der Eindämmung könnte dazu führen, dass die Lockerungen zu weit gehen und eine zweite Welle in der Epidemie entsteht. Dass die Zahlen insgesamt also wieder stärker nach oben gehen. Und zweitens natürlich, dass dann die Aufmerksamkeit nicht mehr ganz so exklusiv den Hauptverantwortlichen im Bund gilt.

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Es gibt eben regionale Unterschiede in der Sache

Die unterschiedliche Betroffenheit der Länder ist andererseits nicht das Produkt von Politikereigensinn in den Ländern, sondern eine Tatsache, die jeder den entsprechenden Karten entnehmen kann. Insbesondere an der Küste rücken nun die Interessen der Tourismuswirtschaft in den Vordergrund -  dort wird, wie auch in anderen Urlaubergegenden quer durch Deutschland, das Geld zwischen Mai und Oktober verdient.

Kein Wunder, dass mehrere Ministerpräsidenten auf eine baldige Lockerung in der Gastronomie dringen – während Berlins Regierender Bürgermeister hier skeptischer ist. Unterschiedliche Länderlösungen liegen daher nahe.

Aber es kann auch Unterschiede auf der Ebene der Kommunen geben. Denn die dürfen beim Infektionsschutz eigenständig agieren, wenn sie es für notwendig halten - im Rahmen des Gesetzes natürlich. Das bekannteste Beispiel war die frühe Maskenpflicht in der Universitätsstadt Jena. Und künftig werden die Stadt- und Landkreise mit die wichtigste Rolle bei der Viruseindämmung haben. Denn ihre Behörden müssen die Lockerungen überwachen, müssen schauen, wie sich die Bevölkerung verhält. Und ihre Gesundheitsämter haben die Aufgabe, über Infektionsnachweise und Kontaktverfolgung lokale Ausbrüche früh zu erkennen und dann schnell zu handeln. Es wird Denn das wichtigste Instrument in den kommenden Monaten wird die möglichst lückenlose Kontaktnachverfolgung von allen erkannten Neuinfizierten sein. Die Kreise werden so noch mehr zu den Frühwarnstationen in der Epidemie.

Stärkung der Gesundheitsämter

Schon Mitte April beschlossen Bund und Länder, dass in den Gesundheitsämtern zusätzliche Teams aufgebaut werden – die Planzahl lautet fünf Mitarbeiter je 20000 Einwohner.

Die Stärkung der Ämter ist der Kern der gemeinsamen Strategie, über eine intensive Kontaktverfolgung die Verbreitung auch nach den Lockerungen so klein zu halten wie möglich. Das geschieht wie bisher auch: Die Ämter fragen Infizierte nach den Namen der Personen, mit denen seit der mutmaßlichen Ansteckung intensiverer Kontakt bestand. Diese werden dann informiert und zu einer Untersuchung gebeten. Stellen sich weitere Infektionen heraus, weitet sich der Kreis. Irgendwann können dann die Kapazitätsgrenzen der Ämter erreicht sein.

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In der fernen Zentrale in Berlin herrscht in diesem Zusammenhang ein gewisses (und teils wohl auch begründetes) Misstrauen. Man möchte nicht den Überblick verlieren, und man möchte, dass der Überblick möglichst aktuell und präzise ist.

Daher hat die Bundesregierung verlangt, dass alle Gesundheitsämter in Deutschland vom 24. April an über ihre Landesoberbehörden ihren Status an das Robert Koch-Institut melden – ob sie vollständige Kontaktverfolgung gewährleisten können, ob das Ziel gefährdet ist oder ob es aktuell nicht mehr möglich ist, die Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen. Überforderte Ämter sollen dann Hilfe vom Bund bekommen, unter anderem über die Bundeswehr.

Die Rücknahme von Lockerungen ist auch lokal und regional möglich, wenn es geboten ist.
Die Rücknahme von Lockerungen ist auch lokal und regional möglich, wenn es geboten ist.

© dpa/Christoph Schmid

Misstrauen und erheblicher Knatsch

Vor dem Gespräch Merkels mit den Ministerpräsidenten in der vorigen Woche hat es deswegen erheblichen Knatsch gegeben – denn in Berlin waren keine Meldungen eingelaufen. Kanzleramtsminister Helge Braun drohte gar mit einer Absage der Telefonkonferenz. Andererseits ist die Lage derzeit so, dass offenkundig alle Gesundheitsämter die Lage im Griff haben, weshalb wohl die Dringlichkeit der Meldepflicht auf den verschiedenen Ebenen - in Berlin, den Landeshauptstädten, den Kreisen - unterschiedlich bewertet wurde.

„Wenn die deutschlandweit erzielten Erfolge in der Verlangsamung des Infektionsgeschehens nicht gefährdet werden sollen, muss auf eine regionale Dynamik mit hohen Neuinfektionszahlen und schnellem Anstieg der Infektionsrate sofort reagiert werden“, heißt es im Bund-Länder-Beschluss vom vorigen Donnerstag.

Das bedeutet keineswegs neue Shutdowns in der ganzen Republik. Die Rücknahme von Lockerungen ist auch lokal und regional möglich, wenn es geboten ist. Bis hin zu „Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus“, wie es im Beschluss weiter heißt.

Anders gesagt: Es kann regionale Lockdowns bis hin zur Massenquarantäne geben.

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