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Nahost: Düstere Aussichten, tägliches Glück

Tagesspiegel-Korrespondent Martin Gehlen über seine Erfahrungen in Nahost. Seit 2008 beobachtet er zusammen mit seiner Frau, der Fotografin Katharina Eglau, das Geschehen in der Region und berichtet aus 15 Ländern.

Berlin - Als Martin Gehlen, Nahostkorrespondent des Tagesspiegels, und seine Frau Katharina Eglau im Frühsommer 2009 im Iran waren, trafen sie auch Issa Saharkhiz. Der „Mann mit großer Brille und grauem Bart“, einer der bekanntesten Publizisten des Landes, koordinierte während des Wahlkampfs die Termine des Reformgeistlichen und Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karroubi. Wenige Tage nach ihrer Begegnung und der Wahl wurde Issa Saharkhiz vom Regime gejagt, aufgespürt und im Gefängnis schwer gefoltert. Was half der Geheimpolizei dabei, ihn in seinem Versteck, einem Dorf am Kaspischen Meer, so schnell zu finden? Gehlen, der am Mittwochabend im Tagesspiegel-Salon von seinen Erfahrungen als Korrespondent berichtete, vermutet: Es war die Überwachungstechnik von Siemens-Nokia.

Siemens-Nokia hat dem iranischen Regime das Telefonsystem „Monitoring System“ verkauft und installiert, das es laut Firmenprospekt erlaubt, „alle Arten von Stimm- und Datenkommunikation in allen Netzwerken zu überwachen, das heißt Festnetz, Mobilfunk, Next Generation Network und Internet“. Während das Regime in Teheran also alles mitbekommt, was seine Bürger über Telefon oder Computer austauschen, ist das Recherchieren für Journalisten praktisch unmöglich geworden: „Man kann niemanden anrufen und sollte auch keine E-Mails schreiben“, sagte Gehlen.

Gehlen und seine Frau, die Fotografin Katharina Eglau, beobachten seit 2008 von Kairo aus das Geschehen in Nahost, für 15 Staaten sind sie zuständig und reisen ausgiebig durch die Region. Dabei ergänzen sie sich: Er führt die Gespräche mit Politikern und den Männern vor Ort, sie kann auch in die Welt der Frauen vordringen, die in Ländern wie Saudi-Arabien oder Jemen strikt von der der Männer getrennt ist. „Oft kann ich mit den Frauen gar nicht reden, weil wir keine gemeinsame Sprache haben, aber ich setze mich dazu, wir trinken Tee und irgendwann ist genug Nähe da, dass sie sich auch fotografieren lassen.“ Wunderbare Fotos entstehen auf diese Weise: etwa von der einzigen jüdischen Gemeinde im Jemen oder von einer Hochzeitsfeier in Teheran, die mit den grell geschminkten Gesichtern und aufreizenden Kleidern so gar nicht ins Weltbild des Regimes passt.

Was Martin Gehlen den rund 130 Salon-Gästen über Ägypten, Jemen und den Iran berichtete, gibt wenig Anlass zur Zuversicht: Jemen ist geplagt von Wassermangel, Hunger und Anschlägen des Terrornetzwerkes Al Qaida, im Iran herrscht gespenstische Ruhe, Ägypten steht ein schwieriger Machtwechsel bevor, der vermutlich nicht demokratisch ablaufen wird. Aber gar zu negativ wollte der studierte Theologe den Abend nicht ausklingen lassen: „Wir fühlen uns in Kairo sehr wohl“, sagte er. „Ägypten ist das Land der Überraschungen. Es geht meistens irgendetwas schief, aber ich erlebe täglich, wenn ich durch die Straßen gehe, ein Glücksgefühl.“

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