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Thüringen

© dpa

Neonazis in Thüringen: Nicht unter Kontrolle

Sie haben sofort zugeschlagen, eines der Opfer liegt nun mit Schädelbruch im Krankenhaus: Nach dem Neonazi-Überfall an einer Raststätte in Thüringen mehren sich die Vorwürfe gegen die Behörden. Die Polizei hätte nicht taktisch klug gehandelt.

Von Frank Jansen

Berlin - Der Schrecken ist noch lange nicht verdaut. „Als die Neonazis uns sahen, haben sie sofort provoziert und einem Kollegen ins Gesicht geschlagen“, sagte der Augenzeuge Holger Kindler am Dienstag dem Tagesspiegel. Der Jugendbildungsreferent der DGB-Jugend Nordhessen war einer der Insassen der Gewerkschafter-Busse, die am Sonnabend auf der Autobahnraststätte Teufelstal bei Jena von Rechtsextremisten überfallen wurden. „Ein Teil unserer Gruppe hat sich in das Restaurant geflüchtet, die anderen sind in den Bus“, berichtete Kindler. Ein 43-jähriger Kollege habe es nicht mehr geschafft. „Der wollte in den Bus rein, aber die Neonazis haben ihn zurückgerissen“, sagte Kindler. Dann hätten drei oder vier Rechtsextremisten auf den Kollegen eingetreten. Hilfe sei unmöglich gewesen, „andere Neonazis hatten den Bus umzingelt“. Flaschen seien geflogen, außerdem habe ein Rechtsextremist einen schweren Eisklotz gegen die vordere Tür geworfen. Kindler: „Wie ich das verarbeiten soll, weiß ich nicht.“

Bei dem Überfall erlitt der Gewerkschafter, den die Neonazis getreten hatten, einen Schädelbruch. Das Opfer sei im Klinikum Jena operiert worden und sein Zustand stabil, sagte der Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Gera, Ralf Mohrmann. Er wisse aber nicht, ob bei dem Gewerkschafter „etwas zurückbleibt“. Vier weitere Opfer kamen mit leichten Verletzungen davon. Nach Informationen des Tagesspiegels hätte der Überfall verhindert werden können, wenn die Thüringer Polizei taktisch klüger gehandelt hätte.

Ministerium: "Dresden ist ja nicht Thüringen"

Es wurde darauf verzichtet, nach dem Aufmarsch von mehr als 5000 Rechtsextremisten in Dresden auf den Raststätten an den Autobahnen in Thüringen Beamte zu stationieren, die anfahrende Busse von Extremisten hätten beobachten können. Brandenburg war klüger: Dort waren, wie der Tagesspiegel aus Sicherheitskreisen erfuhr, an den Raststätten entlang der Routen von Dresden und Leipzig offene und verdeckte Polizeikräfte permanent im Einsatz. Im Thüringer Innenministerium hieß es am Dienstag, die Polizei habe die Rasthöfe „nur bestreifen sollen“. Es habe keine Hinweise auf Gewalttaten gegeben, „außerdem liegt Dresden ja nicht in Thüringen“, sagte der Sprecher des Ministeriums, Bernd Edelmann. Fünf Minuten vor dem Überfall sei eine Polizeistreife auf dem Parkplatz Teufelstal gewesen und nach der Gewalttat schnell wieder zurückgekehrt.

Innenministerium und Staatsanwaltschaft sehen auch nicht, dass die Polizei bei der Verfolgung des Neonazi-Busses Fehler gemacht haben könnte. Die Beamten hatten das Fahrzeug auf der Autobahn nach 15 Kilometern gestoppt und die Personalien der Insassen festgestellt. Danach konnten die 41 Rechtsextremisten weiterfahren. Jetzt wird bundesweit nach drei schwedischen Insassen gefahndet, die an dem Angriff auf die Gewerkschafter beteiligt gewesen sein könnten. Es werde gegen die Insassen des Neonazi-Busses wegen des Anfangsverdachts auf gefährliche Körperverletzung und schweren Landfriedensbruch ermittelt, sagte Mohrmann. Noch sei niemand vernommen worden.

Offen bleibt, ob die NPD mit dem Überfall zu tun hat. Laut Nachrichtenagentur ddp hat den Neonazi-Bus der NPD-Kreisverband Westpfalz „organisiert“. Dort hieß es auf Anfrage des Tagesspiegels nur: „Mit Ihnen reden wir nicht.“

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