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Die Bundesregierung will bis zum Sommer eine digitale Agenda erarbeiten.

© dpa

Netzpolitik in Deutschland: Digitale Agenda soll bis zur Sommerpause stehen

Am liebsten wären sie alle ein bisschen Internetminister. Jetzt hat sich die große Koalition trotzdem darauf geeinigt, welche Ministerien beim großen Thema Netzpolitik die Federführung haben sollen. Die Pläne für eine digitale Agenda sind ehrgeizig, aber noch nicht sehr konkret.

Ein eigenes Internetministerium wollen Union und SPD nicht. Aber Internetminister wollen in dieser großen Koalition einige sein. Die Netzpolitik ist ein echtes Querschnittsthema, bei dem nahezu jedes Ressort seine Ansprüche stellt. Auf der Klausurtagung in Meseberg haben sich die Koalitionäre nun auf eine Struktur verständigt. Wie es in Regierungskreisen heißt, sollen bereits bis Sommer die Eckpunkte für eine Digitale Agenda vorliegen, die das Bundeskabinett dann mit einem Bericht beschließen soll. Federführend dabei sind das Ministerium für Wirtschaft und Energie, das um die digitale Infrastruktur erweiterte Verkehrsministerium sowie das Innenministerium. Andere Ressort, wie das Bildungs- oder Justizministerium sollen punktuell dazu kommen.

Wie genau die Zuständigkeiten aufgeteilt sein werden, ist aber noch unklar. Vor allem, wie sich das Verkehrs- und das Wirtschaftsministerium genau koordinieren. Das Innenministerium wiederum wird sich vor allem um die Aspekte Sicherheit und der digitale Staat kümmern. "Es geht um eine werteorientierte Netzpolitik", heißt es im Ministerium. De Maizière wolle an seine 14 Thesen zur Netzpolitik anknüpfen, die er bereits 2010 als Innenminister vorgestellt hatte.

Seitdem, so heißt es auch im Ministerium, habe sich die Digitalisierung deutlich weiterentwickelt. De Maizière wird am heutigen Dienstag mit gesellschaftlichen Vertretern aus Gewerkschaft, Kirchen, Wirtschaft und Netzwelt zusammenkommen, um über die Netzpolitik zu diskutieren (Hier geht es zum Live-Stream der Veranstaltung). Er habe sicher den Anspruch für das Internet zuständig zu sein, aber er wisse, dass er nicht der einzige Minister für das Internet ist, heißt es in Ministeriumskreisen.

Im Ministeriumskreisen ist durchaus von einer Vertrauenskrise ins Netz die Rede. Allerdings ist man sich nicht so sicher, wie manifest diese ist. Denn es gebe zwar eine veröffentlichte Krise, insofern als das sich viele Experten und Blogger wie zuletzt Sascha Lobo kritisch mit dem Netz auseinandersetzten. Auch gebe es Umfragen und Studien die belegten, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in das Internet hätten. Andererseits nimmt die Nutzung der Dienste im Netz keineswegs ab. Im Gegenteil. Viele Dienste sind so beliebt wie selten zuvor. Dazu gehörten Soziale Netzwerke, aber auch Cloudsysteme. Auch die NSA-Affäre, heißt es im Ministerium, habe Spuren hinterlassen. Der Wunsch nach mehr staatlichem Schutz habe zugenommen.

Details der Digitalen Agenda müssten zwar noch ausgearbeitet werden, aber es werden bereits einige Punkte benannt. So sollten Verschlüsselungstechniken gefördert werden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll finanziell und personell ausgebaut werden. Konkrete Zahlen gibt es zwar noch nicht, aber es soll mehr als ein paar kosmetische Veränderungen sein.

Teil der digitalen Agenda wird wohl auch ein neues IT-Sicherheitsgesetz, das bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll. Schwarz-Gelb hatte bereits einen Entwurf erarbeitet, der dann aber nicht mehr verabschiedet wurde. Vor allem die Internetprovider sollen darin in die Pflicht genommen werden, Sicherheitslücken ihren Kunden mitzuteilen. Auch Betreiber von Webseiten sollen stärker in die Verantwortung gezogen werden. Denn oftmals fangen sich normale Nutzer einen so genannten Trojaner über den Besuch einer normalen Webseite ein, weil diese sich nicht gut genug schützt.

Ein derartiger Vorgang spielte auch bei dem vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Diebstahl von 16 Millionen Mail-Konten und Passwörtern eine zentrale Rolle. "Wenn man in einen Blumenladen geht und man bekommt einen Blumentopf auf den Kopf, haftet auch der Ladenbesitzer, bei einer Webseite muss das ähnlich sein", heißt es im Ministerium. Wie das aber im Detail aussehen soll, ist noch völlig offen.

Eines der großen Themen wird auch die Reform der EU-Datenschutzgrundverordnung sein. Ursprünglich sollte diese noch vor der Europawahl beschlossen werden, doch daraus wird nun nichts. Vor allem Deutschland hat Bedenken und will der Kommission keinen Blankoscheck ausstellen, sondern weiter Einfluss auf den europäischen Datenschutz haben. Gleichwohl gibt es auch hierzulande den Wunsch nach einem einheitlichen Datenschutz.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, fordert am heutigen Europäischen Tag des Datenschutzes Nachdruck bei den Verhandlungen. "Ich sehe es mit Sorge, dass die hohen europäischen - grundrechtlich gebotenen - Standards durch die Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland und Europa unterlaufen werden können", sagte Voßhoff dem Tagesspiegel. Dies sei vor allem deshalb problematisch, als es für den Einzelnen bislang keine angemessenen Möglichkeiten gebe, sich einer unrechtmäßigen Überwachung entziehen oder sich dagegen wehren zu können.

Verstärkt werde die Problematik indem viele Europäerinnen und Europäer die Dienste großer Internet-Unternehmen nutzten, die ihrerseits offenbar den Zugriffen der Nachrichtendienste in ihren Sitzländern ausgesetzt seien. "Insofern ist es einerseits wichtig, dass sich die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit den USA deutlich für eine Begrenzung der nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Deutschland einsetzt. Andererseits müssen die ins Stocken geratenen Verhandlungen zur Reform des Europäischen Datenschutzrechts mit Nachdruck vorangetrieben werden", forderte Voßhoff.

Hohe Priorität im Innenministerium genießt auch der Schutz der kritischen Infrastruktur vor Cyberangriffen. Weniger priorisiert ist dagegen ein so genanntes europäisches Datenrouting. Dahinter steht die Idee, Mailverkehr innerhalb Europas auch allein auf europäischen Datenbahnen zu lassen. Bisher ist es so, dass eine Mail von Berlin nach Paris beispielsweise auch über Server in den USA gehen. Problematisch daran ist, dass unterschiedliche Rechtssysteme betroffen sind. Allerdings ist man im Ministerium skeptisch, dass so ein europäisches Routing umsetzbar ist, weil das auch ein Eingriff in den Wettbewerb darstellen würde. "Wir müssen das Ziel definieren und nicht den technischen Weg dorthin", heißt es im Innenministerium.

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