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Politik: Neuer Neuanfang in Ägypten

Umstrittener Premier tritt überraschend ab / Nachfolger Essam Sharaf hatte gegen Mubarak demonstriert

Berlin - Der umstrittene Premierminister der ägyptischen Übergangsregierung, Ahmed Shafik, ist am Donnerstag nach anhaltenden Protesten überraschend zurückgetreten. Shafik war noch vom gestürzten Ex-Präsidenten Hosni Mubarak am 29. Januar eingesetzt worden, in der Hoffnung, die Lage zu beruhigen. Als Nachfolger setzte der Militärrat den früheren Transportminister Essam Sharaf ein, der an den Demonstrationen gegen Mubarak auf dem Tahrir-Platz in Kairo teilgenommen hatte. Mit dem Rücktritt Shafiks ist eine der Hauptforderungen der Opposition erfüllt, die für Freitag zu einer neuen Großdemonstration aufgerufen hat, um auch personell einen echten Neuanfang zu erzwingen.

Der neue Premierminister Sharaf war von 2004 bis 2005 Transportminister, wurde aber vom damaligen Premier nicht im Amt gehalten. Der Ingenieur, der seither wieder an der Kairo-Universität unterrichtete, gilt als heftiger Kritiker der Korruption in Ägypten. Der führende Oppositionelle, der Friedensnobelpreisträger Mohamed al Baradei, begrüßte die Ernennung Sharafs zum Premier ebenso wie die Muslimbruderschaft.

Noch am Mittwochabend hatte es der ehemalige Luftwaffengeneral Ahmed Shafik in einer Live-Diskussion mit Oppositionellen abgelehnt, sich dem Druck der Straße zu beugen. Shafik hatte während der Proteste erklärt, dass Mubarak seine Amtszeit zu Ende führen müsse. Einen Rücktritt Mubaraks hatte er ausgeschlossen, weil dies zu einem „legalen Vakuum führen“ und den Reformprozess verlangsamen würde. Auch in dem TV-Streitgespräch am Mittwoch hatte sich Shafik als Vertreter der alten Garde entlarvt. „Ich habe Kampfflugzeuge geflogen, da waren Sie noch gar nicht auf der Welt“, fuhr er einen jüngeren Mitdiskutanten an. Der Schriftsteller Alaa al Aswani warf ihm vor, Teil des Mubarak-Regimes gewesen zu sein, weswegen er zurücktreten müsse. Am Donnerstagmorgen reichte Shafik dann überraschend wirklich seinen Rücktritt ein.

Damit ähneln sich die Szenarien in Tunesien und Ägypten. Nicht nur hatten die Ägypter wenige Wochen nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten Ben Ali in ähnlicher Weise Massenproteste organisiert, die zum Sturz Mubaraks führten. In Tunesien hat es dann noch fünf Wochen gedauert, bis der umstrittene Premierminister der Übergangsregierung, Mohammed Ghannouchi, wegen anhaltender Proteste das Handtuch warf und Platz machte für einen unbelasteten Nachfolger. Ghannouchi war bereits unter Ben Ali jahrelang Regierungschef gewesen. Tunesiens Interimspräsident Foued Mebazaa kündigte derweil für den 24. Juli die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung an.

Interessant wird, ob der neue ägyptische Regierungschef die übrigen Vertreter des alten Regimes im Kabinett auswechseln wird. Dazu gehören der Außen-, der Finanz- und der Justizminister. In der Übergangsregierung sind bereits Vertreter der legalen Oppositionsparteien vertreten. Der enge Vertraute der ehemaligen Präsidentengattin Suzanne an der Spitze des Kulturministeriums, Farouk Hosni, wurde durch den Betreiber eines populären Kulturzentrums ersetzt, Mohamed Abdel-Moneim al Sawy. Seinen Verteidigungsminister wird der neue Premier allerdings kaum auswechseln können: Es ist der Vorsitzende des Militärrates, der Ägypten derzeit beherrscht, Mohamed Sayed Tantawi.

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