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Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat eine überarbeitete Version des BKA-Gesetzes vorgelegt.

© dpa/Wolfgang Kumm

Exklusiv

Neues BKA-Gesetz: Kontaktpersonen von Terrorverdächtigen dürfen auch weiterhin observiert werden

Das Bundesverfassungsgericht hatte das BKA-Gesetz zum Teil für verfassungswidrig erklärt. Deshalb musste die Bundesregierung nachbessern. Der neue Entwurf liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor.

Stand:

Die Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) mit Sitz in Wiesbaden sollen Terrorangriffe verhindern und koordinieren die Polizeiarbeit der Bundesländer. Wie weit sie dazu bei Fahndungen gehen dürfen, regelt ein Gesetz. Anfang Oktober hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Teile des BKA-Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Nach diesem Urteil des höchsten deutschen Gerichts war klar, dass die Bundesregierung nachbessern musste, und zwar vor Juli 2025. Jetzt liegen dem Tagesspiegel die Änderungsentwürfe exklusiv vor.

Die Änderungen zum BKA-Gesetz gab das Bundesinnenministerium (BMI) am Donnerstag in die sogenannte Länder- und Verbändebeteiligung. Wir haben sie anhand der Anmerkungen des Bundesverfassungsgerichts überprüft.

Nur kleine Korrekturen bei den Kontaktpersonen

Ein klarer Fall war im Oktober für das Gericht die Sache mit den Kontaktpersonen von Terrorverdächtigen. „Heimlichen Überwachungsmaßnahmen kommt ein besonders schweres Eingriffsgewicht zu“, hieß es in der Begründung. Ein bloßer „Kontakt“ reiche demnach nicht aus, damit Ermittler zu Mitteln wie Observation greifen dürfen. Es müsse eine „spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zur aufzuklärenden Gefahr“ vorhanden sein, damit Daten wie Namen, Anschrift, Bankdaten, Versicherungsdaten und mehr erfasst werden dürfen.

Die Arbeit der Ermittler im Bundeskriminalamt ist künftig durch ein überarbeitetes Gesetz geregelt.

© dpa/Fredrik Von Erichsen

In der Neuauflage heißt es, dass von einer „Person, die nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt“ mit Tatverdächtigen steht, Vorteile aus der Straftat zieht oder von der Vorbereitung der Straftat Kenntnis hat, weiterhin personenbezogene Daten erhoben werden können. Und zwar per längerfristiger Observation, Abhören und mit Bildaufnahmen außerhalb der Wohnung. Dazu dürfen, wie bisher, Vertrauenspersonen (V-Leute) und verdeckte Ermittler eingesetzt werden.

Die Änderungen sind marginal. Ob das den Klägern von 2019 ausreicht, bleibt abzuwarten. Damals hatten zwei Rechtsanwältinnen, ein politischer Aktivist und zwei Fußball-Fans Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil ihnen die Möglichkeiten zur Datenerhebung und -speicherung zu weit gingen.

Betroffene müssen eine strafrechtlich relevante Verbindung aufweisen.

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Hinsichtlich der Datenspeicherung und Weitergabe bemängelte das Gericht, dass „personenbezogene Grunddaten“ im polizeilichen Informationssystem auch „vorsorgend“ gespeichert werden dürfen. Dieses Vorgehen ist künftig nur noch erlaubt, wenn „Betroffene eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen“ und insbesondere die gespeicherten Daten dazu beitragen, dass diese Straftat verhindert und verfolgt werden kann.

Im Referentenentwurf des BMI zollt man der Vorgabe durch folgenden Satz Tribut: Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass „eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die betroffenen Personen eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen werden“.

So lange speichert die Polizei die Daten

Auch ab wann und wie lange die Daten eines Verdächtigen in den Datenbanken von Polizei und BKA gespeichert werden dürfen, hielt das Gericht nicht für ausreichend geregelt. Es brauche genaue Vorgaben zur Speicherdauer, um den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit zu genügen, schrieb das Gericht.

Genaue Fristen zur Speicherdauer finden sich weiterhin nicht in den Entwürfen. Die Daten sind zu löschen, wenn sie für Ermittlerzwecke nicht mehr erforderlich sind, heißt es. Der Paragraf zur Löschung bleibt fast unverändert. Wenn Ermittler die Daten löschen, müssen sie diesen Vorgang dokumentieren. Auch die Dokumentation darüber ist „sechs Monate nach Löschung der Daten“ zu löschen. Ob Daten in den Systemen der Ermittler zu löschen sind, prüft man beim BKA weiterhin manuell.

Die Prüfung erfolgt nach festgesetzten Fristen (Aussonderungsprüffrist). Diese dürfen bei schweren Straftaten bei Erwachsenen fünf Jahre, bei Jugendlichen vier Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten.

In allen anderen Fällen muss bei Erwachsenen nach drei Jahren, bei Jugendlichen nach zwei und bei Kindern nach einem Jahr geprüft werden, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind.

Hier findet sich die deutlichste Änderung zur alten Fassung des Gesetzes, weil die Fristen kürzer geworden sind. Allerdings können die Ermittler auch entscheiden, die Speicherfrist bis zu zweimal zu verlängern.

Die Grünen sind erleichtert

Der verbliebene Regierungspartner reagierte erleichtert darauf, dass die Änderungen zum BKA-Gesetz auf dem Tisch liegen. „Es ist gut, dass sich das BMI auf die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts konzentriert“, sagte der Grünen-Vizefraktionsvorsitzende Konstantin von Notz dem Tagesspiegel.

Faeser hatte ursprünglich angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung und biometrische Gesichtserkennung aus dem gescheiterten Teil des Sicherheitspakets im Rahmen des BKA-Gesetzes doch noch durchbringen zu wollen.

Das Gesetz zu überfrachten, würde den erfolgreichen Abschluss gefährden.

Konstantin von Notz, Grünen-Vizefraktionsvorsitzender

Doch die Grünen wollten bei dieser Verknüpfung nicht mitmachen. „Das Gesetz mit zahlreichen anderen Dingen zu überfrachten, würde den erfolgreichen Abschluss gefährden“, sagte von Notz. Ziel ist es schließlich, das BKA-Gesetz vor der Bundestagswahl umzusetzen. Sonst wäre die Arbeit des Bundeskriminalamts ab Juli 2025 „massiv eingeschränkt“, erwartet der Grünen-Politiker.

Im Innenministerium hofft man weiter, auf die Erlaubnis für den biometrischen Internetabgleich und stichprobenartige Kontrollen durch die Bundespolizei. Aktuell liefen Beratungen darüber, wie dieser Teil des Sicherheitspakets noch beschlossen werden kann, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.

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