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Politik: Neues Selbstbewusstsein

Ob Ladenschluss, Naturschutz oder Förderpolitik: Die Forderungen der Bundesländer nach mehr Eigenständigkeit nehmen zu

Unter den Ministerpräsidenten gibt es einen, den seine Kollegen manchmal nicht so ganz verstehen. Denn Erwin Teufel ist ein Querkopf, erst recht, wenn es um sein Lieblingsthema geht: Wie man die Länder wieder stärker macht. Da kann der Stuttgarter Regierungschef auch mal die Rücksicht auf die eigene Partei oder taktische Erwägungen vergessen. Aber in seiner letzten Amtszeit will er einiges bewegen zwischen Bund und Ländern. 2003 müsse zum Jahr der Reform des Föderalismus werden, fordert Teufel. Und prescht vor. Länderkompetenzen müssten zurückgewonnen werden, der Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ sollte auf einigen Feldern umgekehrt werden. Will heißen: Die Länder sollen die Möglichkeit bekommen, von Bundesgesetzen abzuweichen. Die Länderwünsche richten sich dabei vor allem auf die Forschungsförderung, die Förderung der Landwirtschaft, die Umweltgesetzgebung und das Besoldungsrecht.

Jahrelang haben die Länder ihren Machtverlust wortreich beklagt, ihr Initiativrecht über den Bundesrat aber nie genutzt, den Trend umzukehren. Das scheint sich nun zu ändern. Gleich mehrfach mahnte die Länderkammer jetzt mehr Eigenständigkeit an. So verweigerte der Bundesrat eine Stellungnahme zum Ladenschlussgesetz von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und forderte, Öffnungszeiten sollten Ländersache sein. „Die Interessen in den Ländern sind so unterschiedlich, dass man das Bundesgesetz abschaffen sollte“, sagt der Erfurter Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU). Eine Mehrheit bekam auch ein Gesetzentwurf Thüringens, der vorsieht, dass die Länder das im Bundesnaturschutzgesetz verankerte Verbandsklagerecht außer Kraft setzen oder modifizieren können. Der Grund: Die Länder wollen das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz im Osten verlängern, Umweltprozesse könnten dessen Effekt mindern.

Bewegung in merkwürdige bundesstaatliche Eigenheiten könnte auch ein Gesetzentwurf Sachsen-Anhalts bringen, der verhindern soll, dass Bund und EU Gesetze auf Kosten der Länder und Kommunen machen. Der Magdeburger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) will erreichen, dass jedes Bundesgesetz, das Ländern und Gemeinden neue Aufgaben auferlegt, durch ein Gesetz ergänzt wird, in dem der Bund für finanziellen Ausgleich sorgt.

Dass die Länder sich bisweilen selber im Weg stehen, zeigt das Schicksal der Berliner Initiative für eine Öffnungsklausel im Bundesgesetz zur Beamtenbesoldung. Die lehnt zwar kein Land kategorisch ab. Streit vor allem in der Union führte aber zur Vertagung der Debatte. Die bösen Buben sind nicht zuletzt die Bayern. Den anderen Ländern geht deren Anliegen, auch höhere Tarife zahlen zu können, doch zu weit; auch stieß es auf Widerspruch, dass sich die CSU Vorstellungen des Beamtenbundes zu eigen machte, die andere Länder als zu teuer erachten.

Die SPD-Länder sind ebenfalls an mehr Eigenständigkeit interessiert. Nordrhein-Westfalen etwa kümmert sich mit Baden-Württemberg derzeit darum, welche Zuständigkeiten man dem Bund abknapsen könnte. Auch die FDP, die sich neuerdings als eigenständiger Akteur im Bundesrat versteht, dürfte nicht hindern. Die Vorstellungen des Stuttgarter Wirtschaftsministers Walter Döring in Sachen Länderkompetenzen gehen bisweilen noch weiter als die seines Kabinettschefs Teufel. Der fürchtet zurzeit nur, dass ihn ein alter Mitstreiter im Stich lässt: „Ich hoffe, Wolfgang Clement wandelt sich nicht vom föderalen Paulus zum zentralistischen Saulus", kommentierte Teufel das Ansinnen des Wirtschaftsministers, die Rolle des Bundesrats zu beschneiden.

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