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Schwierige Fragen und entscheidende Tage: Die Ampel-Minister bei der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg.

© IMAGO/Political-Moments

Kabinettsklausur in Meseberg: Nimmt Scholz sich ein Vorbild am spanischen Entlastungsmodell?

Der Kanzler erwartet eine rasche Einigung über weitere Entlastungsmilliarden. In den Fokus rückt zur Finanzierung ein Modell, das die FDP bisher ablehnt.

Von Madrid nach Meseberg sind es knapp 2400 Kilometer. Aber für Pedro Sánchez ist es dennoch selbstverständlich, der Einladung von Olaf Scholz in das brandenburgische Barockschloss zu folgen. Für den Kanzler ist der spanische Ministerpräsident ein willkommener Kronzeuge, dass etwas funktionieren kann, was einige seiner Probleme lösen könnte.

„Die Bürger müssen den Eindruck haben, dass die Lasten gerecht verteilt werden. Das ist der Grund, warum wir diese Steuer verabschiedet haben“, sagt der braungebrannte Sánchez im Schlossgarten, Scholz neben ihm dürfte innerlich zustimmen.

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Die zweitägige Kabinettsklausur in Meseberg bildet den Rahmen für ein Paket, das mitentscheiden wird, wie gut Deutschland durch diesen Wirtschaftskrieg mit Russland kommt - und ob die Ampel-Koalition nach Wochen der Sticheleien die Kurve bekommt.

Sánchez hat in seinem Heimatland bei den Entlastungen zu einem Instrumentarium gegriffen, das die FDP in der Ampel bisher ablehnt: Große Strom-, Gas- und Ölunternehmen müssen in Spanien 2022 und 2023 zusätzliche Steuern auf ihre hohen Gewinne durch die kriegsbedingt stark gestiegenen Rohstoffpreise abführen.

Auch Banken werden stärker zur Kasse gebeten – das Ziel sind Zusatzeinnahmen von sieben Milliarden Euro in zwei Jahren. Der Sozialdemokrat aus Spanien gilt gerade in der SPD als einer, der bewiesen hat, dass dieser Weg klappen kann und beim Volk ankommt.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und Kanzler Olaf Scholz im Schlossgarten von Meseberg.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und Kanzler Olaf Scholz im Schlossgarten von Meseberg.

© IMAGO/Political-Moments

Mit dem Milliardenregen soll unter anderem der Nah- und Regionalverkehr bis Jahresende für Pendler kostenlos sein, zudem sollen rund eine Million Studentinnen und Studenten 100 Euro zusätzlich im Monat als staatliches Stipendium bekommen, damit niemand wegen der hohen Energiekosten sein Studium abbrechen muss.

Ebenso wird der Gaspreis in Spanien und Portugal bei 40 Euro die Megawattstunde gedeckelt, um Verbraucher und Unternehmen deutlich zu entlasten, in Deutschland und anderen EU-Staaten war der Preis zuletzt auf über 300 Euro hochgeschnellt.

Auch die neue nationale Sicherheitsstrategie hat mit Energie zu tun

Für zwei Stunden ist Sánchez dabei, auf der Tagesordnung steht auch eine neue nationale Sicherheitsstrategie, die Spanien ins Werk gesetzt hat. Dabei geht es längst nicht mehr nur um militärische Fragen, sondern darum, wie ein zu starker Einfluss ausländischer Unternehmen auf Stromnetze und Energieversorgung verhindert werden kann – eine Lehre aus den Fehlern der bisherigen Russland-Politik.

Sicherheit soll in diesen Zeiten ein Fall für praktisch alle Ressorts werden, so wie Klimaschutz. Scholz setzt als ein Projekt auch auf den raschen Bau einer Gaspipeline von Spanien über Frankreich, um Westeuropa hierüber besser zu versorgen, später soll diese auch für den Wasserstofftransport genutzt werden.

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Aber eigentlich dominiert in Meseberg vor allem das Thema Entlastungen. Für Scholz und seine Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP ist die zentrale Frage: Wo soll das Geld herkommen, um das Kanzler-Versprechen von „You'll never walk alone“ zu erfüllen? Ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse schließt Christian Lindner aus.

Bewegt sich Lindner bei der Übergewinnsteuer?

In der SPD betonen sie, Lindner werde sich bewegen müssen. Dort haben sie daher mit Interesse eine Wortmeldung des FDP-Vorsitzenden und Bundesfinanzministers wahrgenommen, die auf Bewegung in die von Sánchez eingeschlagene Richtung hindeuten könnte.

„Die Bundesregierung muss sich mit größter Dringlichkeit den Strompreisen widmen“, hat er getwittert. „Wir müssen den Profit-Autopiloten am Strommarkt entkoppeln – Gewinne dürfen nicht zu Lasten der Verbraucher steigen.“

Wie eine Strom- und Gaspreisbremse aussehen könnte.

Die SPD-Fraktion fordert von der Ampel-Koalition eine Strom- und Gaspreisbremse, allerdings anders ausgestaltet als in Spanien. Ein bestimmter Verbrauch soll je Haushalt preislich gedeckelt werden. „Es muss klar werden, dass der Verbrauch über den begrenzten Grundbedarf einem hohen Preisanstieg unterliegen kann“, heißt es in dem Papier.

So soll also auch das Sparen von Energie angereizt werden. Ein Härtefallfonds könne dazu dienen, Haushalte zu schützen, die keine Möglichkeit haben, ihren Verbrauch auf einen Grundbedarf zu reduzieren.

CDU-Chef Friedrich Merz hat als Alternative eine Energiepreispauschale in Höhe von 1000 Euro für untere und mittlere Einkommen ins Spiel gebracht. Sicher ist, es geht um weitere Milliardensummen, kaum gesprochen wird bisher über Hilfen für die Industrie, die die Energiepreise kaum wird bezahlen können.

Scholz: Es geht hier auch um das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger

In der SPD heißt es, eine Besteuerung von Zusatzprofiten etwa im Strombereich sei für die FDP wesentlich besser zu verkaufen bei den eigenen Wählern, weil dies das Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger berühre.

Innenministerin Nancy Faeaser (SPD), Außenminister Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) haben die neue nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt.
Innenministerin Nancy Faeaser (SPD), Außenminister Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) haben die neue nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt.

© IMAGO/photothek

Scholz weicht einer Frage danach aus, betont aber so wie Sánchez, dass ein Entlastungspaket auch der Gerechtigkeitsfrage Rechnung tragen müsste. Sánchez sagt, in Spanien gebe es für die Maßnahmen, die auch eine Umverteilung zugunsten der arbeitenden Mittelschicht seien, große Zustimmung.

Warum der Strompreis auf ein Allzeithoch geklettert ist

Der Strompreis ist zuletzt mit über 1000 Euro die Megawattstunde an der Leipziger Energiebörse auf ein Rekordhoch gestiegen, weil wegen niedriger Wasserstände trotz des Gasmangels weiterhin teils 15 Prozent des Stroms aus Gaskraftwerken kommen – viele Wasserkraftwerke laufen nicht und in Frankreich stehen Dutzende Atomkraftwerke still, Deutschland hilft mit Strom aus.

Da sich der Strompreis für alle Erzeuger am Preis für die teuersten Kraftwerke – das sind derzeit Gaskraftwerke – orientiert, kassieren auch die Betreiber von Kohlekraftwerken, Solar- und Windenergieanlagen gewaltige Zusatzeinnahmen. Und das, obwohl sie gar keine gestiegenen Kosten haben.

Habeck will Gewinne auch bei Wind- und Solaranalagenbesitzern abschöpfen

Das Bundeswirtschaftsministerium von Minister Robert Habeck arbeitet eines „Spiegel“-Berichts zufolge daher an einer Übergewinnsteuer auf Strom, der aus Braunkohle und Erneuerbaren Energien gewonnen wird.

Der Staat könnte einen fixen Verbraucherpreis für Strom aus diesen Quellen festlegen. Die Summe, die die Erzeuger darüber hinaus aus Verkäufen an den Strommärkten erzielen, müssten sie demnach an den Staat abtreten.

Bis kommende Woche soll das Paket stehen

Kanzler Scholz betont in Meseberg, dass man intensiv und vor allem vertraulich am geplanten dritten Entlastungspaket arbeite, lässt sich aber weiter nicht in die Karten blicken. Es gehe darum, ein „möglichst maßgeschneidertes, möglichst effizientes, möglichst zielgenaues Entlastungspaket“ auf den Weg zu bringen. Es solle dazu führen, dass niemand alleine mit seinen Problemen bleibe.

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Erwartet wird, dass die Eckpunkte am Wochenende oder Anfang der Woche vorliegen könnten, damit Scholz sie rechtzeitig zur Generalaussprache über den Kanzleretat 2023 am kommenden Mittwoch im Bundestag präsentieren kann. Er versucht nach den Chaostagen mit den handwerklichen Fehlern bei der Gas-Umlage und SPD-Attacken auf den Umfragekönig Habeck die Wogen zu glätten.

Die Gasspeicher habe man inzwischen zu fast 85 Prozent gefüllt, was die Versorgungssicherheit für den Winter wesentlich verbessere. Ihm gehe es darum, „dass wir als Bundesregierung eng und untergehakt zusammenarbeiten“, sagt der Kanzler. Die Klausur sei geprägt von der „Bereitschaft in einer ernsten Lage eng zusammenzuarbeiten zum Wohl des Landes“.

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