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Da war die Welt für Machthaber Kim Jong Un noch in Ordnung. Die am Freitag kurz nach dem Start abgestürzte Rakete am 8. April.

© AFP

Nordkorea: Schlag ins Wasser

Der gescheiterte Test einer Langstreckenrakete kratzt sehr am Image des neuen Machthabers in Nordkorea.

Es war vielleicht doch keine gute Idee von Nordkorea, 70 ausländische Journalisten einzuladen, um einen Raketenstart zu beobachten. Auf diese Weise konnten sie in dem sonst so abgeschotteten Staat am Freitagmorgen eine fürchterliche Blamage bezeugen. Der BBC-Korrespondent Damian Grammaticas twitterte aus der Hauptstadt Pyöngyang: „Sind gerade in einer bizarren Situation. Unsere nordkoreanischen Aufpasser bitten MICH, IHNEN zu erzählen, ob die Rakete gestartet worden ist. Die ist schon vor vier Stunden hoch, aber sie haben keine Informationen darüber.“

Inzwischen dürften es auch der letzte Aufpasser erfahren haben: Der Raketenstart, der den Höhepunkt der Feierlichkeiten am Sonntag zum 100. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung bilden sollte, ist für den stalinistischen Staat zu einem peinlichen Debakel geworden. Nach nur knapp zwei Minuten ist die Trägerrakete in 20 Teile zerborsten und 165 Kilometer südwestlich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ins Meer gefallen. Das südkoreanische Militär sucht nach den Trümmern, es erhofft sich davon Aufschluss über den Stand der Technik und die Art der Rakete. Bis zuletzt bestand Nordkorea darauf, den Beobachtungssatelliten „Glänzender Stern“ ins All geschossen zu haben. Die USA, Südkorea und Japan hingegen werteten den Start als verbotenen Test einer Langstreckenrakete.

Nordkorea verärgerte auch seinen wichtigsten Verbündeten China, der bis zuletzt versucht hat, Kim Jong Un von seinem Vorhaben abzubringen. Zhang Liangui, Professor an der Pekinger Parteihochschule, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Nordkoreaner können nicht machen, was sie wollen, sich nicht um internationale Besorgnisse kümmern und keinen Rat annehmen.“ Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums beließ es dabei, alle Parteien zur Besonnenheit zu mahnen.

Kim Jong Un
Kim Jong Un

© dapd

Der Fehlschlag bedeutet einerseits, dass Nordkorea noch nicht über die Technologie verfügen dürfte, um mit seinen Raketen entfernte Ziele wie die USA zu erreichen. Der Test hat dem Programm sogar einen Rückschlag beschert: Vor drei Jahren war die Trägerrakete nach dem Zünden der zweiten Stufe immerhin 3800 Kilometer weit geflogen, ehe sie ins Meer stürzte. Diesmal explodierte bereits die erste Stufe. Dennoch ist durch den Fehlschlag die Gefahr für die Region sogar gestiegen.

Nordkorea steht unter großem Druck, seinem Volk und der Welt seine Stärke beweisen zu müssen. Nordkoreas neuer Führer Kim Jong Un könnte versuchen, die Blamage mit einem Atomtest wettzumachen, sagte Cheng Xiaohe, Professor für internationale Beziehungen an der Pekinger Volksuniversität der dpa: „Die Erfolgsrate eines Atomversuchs ist höher, weil es der dritte Test wäre.“ Im Gegensatz zu einem Raketenstart sei es auch schwieriger zu beurteilen, wann ein solcher Test ein Fehlschlag sei. Satellitenbilder zeigen bereits mögliche Vorbereitungen für einen atomaren Test der Nordkoreaner in Punggye-ri, dem Ort der bisherigen zwei Testversuche. Und: Auch 2009 ließ Kim Jong Il unmittelbar auf den Absturz der Trägerrakete einen Atomtest folgen.

Kim Jong Un hat sich auch bisher exakt an das gehalten, was ihm sein im Dezember verstorbener Vater vorgemacht hat. Der am Mittwoch zum Generalsekretär der Arbeiterpartei gekürte unerfahrene Führer scheint sich ebenfalls auf Provokationen der Internationalen Gemeinschaft wie Raketenstarts und Atomtests verlassen zu wollen, um die Macht der Volksrepublik zu demonstrieren. Er scheint auch die Songun-Philosophie des Vaters weiterzuverfolgen. Diese besagt: Das Militär zuerst. Das hungernde Volk rangiert weiter hinten, wie der 850 Millionen Dollar teure Raketenstart beweist. Mit diesem Geld hätte Kim Jong Un die 19 Millionen Nordkoreaner nach Angaben der „Korean Times“ ein Jahr lang ernähren können. Doch der noch nicht 30 Jahre alte Kim Jong Un muss sich in der mächtigen, überalterten Militärführung beweisen.

Aktuell ist das freilich gründlich fehlgeschlagen. „Stärke und Wohlstand“ hatte Kim Jong Il vor seinem Tod dem Volk zum 100. Geburtstags seines Vaters versprochen. Spötter behaupten nun, dass es der Rakete durch den Absturz mehr als eindrucksvoll gelungen ist, die aktuelle Stärke Nordkoreas darzustellen.

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