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Die Herkunft der Waffe, mit der die NSU-Mörder neun Menschen erschossen, bleibt ungeklärt.

© dpa

NSU-Prozess: Der Weg der Mordwaffe bleibt ungeklärt

In der Schweiz wurden zwei ehemalige Besitzer der Ceska 83 vernommen, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Migranten erschossen hatten. Die Pistole wechselte mehrmals den Besitzer.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess bleibt mysteriös, wie die Mordwaffe Ceska 83 von der Schweiz nach Deutschland gelangt ist. Zwei Schweizer, die 1996 die Pistole mutmaßlich erworben hatten, zeigten sich nach Informationen des Tagesspiegels bei Vernehmungen am Dienstag und am Mittwoch in der Stadt Thun (Kanton Bern) ahnungslos. Er habe damals lediglich auf Anregung von Hans-Ulrich M. einen Waffenerwerbsschein besorgt, sagte am Mittwoch Peter G. Im Januar 2012 hatte G. noch ausgesagt, er habe die Pistole im Auftrag von Hans-Ulrich M. besorgt. Am Dienstag behauptete M., die Ceska weder bestellt noch nach Deutschland verkauft zu haben. Mit der Waffe hatten die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen.

Das Oberlandesgericht München hatte die Staatsanwaltschaft Bern im Rahmen der Rechtshilfe gebeten, die beiden Schweizer zu vernehmen, da sie im NSU-Prozess nicht erschienen waren. An den nicht öffentlichen Befragungen in einem Saal des Rathauses von Thun nahmen ein Staatsanwalt aus Bern, zwei Vertreter der deutschen Bundesanwaltschaft, die Verteidiger der Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und Carsten S. sowie mehrere Anwälte von Opferfamilien teil. Die für Dienstag und Mittwoch geplanten Verhandlungstage in München fielen aus, der Prozess wird diesen Donnerstag fortgesetzt. Die Vernehmungen in der Schweiz waren notwendig, um die Beweisführung zur Ceska 83 zu vervollständigen. Auch wenn das Ergebnis seltsam anmutet.

Die Verdächtigen wurden 2012 schon einmal befragt

Ein ehemaliger Schweizer Waffenhändler hatte im Oktober 2013 als Zeuge im NSU-Prozess ausgesagt, er habe die aus Tschechien stammende Waffe mit einem Schalldämpfer am 10. April 1996 geliefert bekommen und einen Tag später an Peter G. verschickt. Der Zeuge präsentierte dazu schriftliche Unterlagen seiner früheren Firma. Dass Peter G. und Hans-Ulrich M. nun keinerlei Erinnerung haben wollen, ist möglicherweise mit dem Ärger zu erklären, den sie 2012 bekommen hatten, wenige Monate nach dem Ende der Terrorzelle NSU. Die Polizei hatte die Ceska 83 im Brandschutt der von Beate Zschäpe am 4. November 2011 angezündeten Wohnung in Zwickau gefunden. Schon zuvor hatten die deutschen Behörden ermittelt, dass die Migranten mit einer aus der Schweiz stammenden Ceska 83 getötet worden waren. 2012 nahm die Schweizer Polizei Peter G. und Hans-Ulrich M. fest, er kam sogar in Untersuchungshaft. Es war jedoch weder G. noch M. eine Beteiligung an der Beschaffung der Waffe für Mundlos und Böhnhardt nachzuweisen. Die Bundesanwaltschaft skizziert den Weg der Ceska 83 so: Ende 1999 oder Anfang 2000 fordert entweder Mundlos oder Böhnhardt – beide waren 1998 mit Zschäpe untergetaucht – in einem konspirativen Telefonat Carsten S. auf, eine Pistole deutscher Bauart mit Schalldämpfer und Munition zu besorgen. Carsten S., damals überzeugter Rechtsextremist, wendet sich an Ralf Wohlleben, einer führenden Figur des braunen Milieus in Jena. Wohlleben erkundigt sich in der Stadt bei Andreas S., einem Mitarbeiter eines rechten Szeneladens, ob er eine solche Waffe beschaffen könne. Andreas S. hat bei Rechtsextremisten den Ruf, über entsprechende Kontakte zu verfügen.

Die Ceska wechselte mehrmals den Besitzer

Andreas S. besorgt dann die Ceska 83, obwohl es sich um ein tschechisches Fabrikat handelt und damit nicht dem Wunsch des NSU nach einer deutschen Marke entspricht. Die Pistole hat Andreas S. für 2000 D-Mark bei Jürgen L. gekauft, der mit einem Bekannten des Schweizer Waffennarrs Hans-Ulrich M. befreundet ist. Der Bekannte von M., Enrico T., ist zudem ein ehemaliger Mitschüler von Uwe Böhnhardt. Der Angeklagte Carsten S. erwirbt dann die Ceska 83 von Andreas S. Die dafür fälligen 2500 D-Mark erhält Carsten S. vom Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Carsten S. bringt die Waffe Anfang 2000 zu Mundlos und Böhnhardt, die ihn nach Chemnitz bestellt haben. Die Übergabe findet in einem Abbruchhaus statt.

Herkunft des Schalldämpfers bleibt ungeklärt

Soweit die Darstellung der Bundesanwaltschaft. Gestützt wird sie zum Teil durch das umfangreiche Geständnis, das Carsten S. zu Beginn des NSU-Prozesses abgelegt hat. Er betonte allerdings, keinen Schalldämpfer bestellt zu haben. Der sei einfach in dem von Andreas S. überreichten Paket dabei gewesen. Ein Schalldämpfer verstärkt bei Ermittlern den Verdacht, die Waffe sei nicht für wahlloses Geballer gedacht, sondern für ein möglichst geräuschloses Tötungsverbrechen. Die Bundesanwaltschaft wirft Carsten S. und Ralf Wohlleben die Beihilfe zu den Morden des NSU an den Migranten vor. Wohlleben schweigt hartnäckig. Seine Verteidiger stellen das belastende Geständnis von Carsten S. massiv in Frage.
Andreas S. hat im Januar im NSU-Prozess die Aussage verweigert. Bei der polizeilichen Vernehmung 2012 hatte er allerdings angegeben, er habe Wohlleben die „Scheiß-Knarre“ besorgt. Andreas S. will sie von Jürgen L. gekauft haben. Der hat sich im November 2013 im Prozess geweigert, etwas zur Sache zu äußern. Und sein Freund Enrico T., der mutmaßlich den Kontakt zum Schweizer Hans-Ulrich M. hergestellt hatte, beteuerte im April im Oberlandesgericht München, er habe mit der Ceska 83 nichts zu tun gehabt.

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