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Politik: Nur das Parteibuch zählt

Im Irak sollen die früheren Anhänger Saddam Husseins ihre Posten verlieren – Kritiker sprechen von Kollektivstrafe

DER IRAK ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN

Der Wiederaufbau des Irak kommt nur extrem schleppend voran. Die International Crisis Group, eine unabhängige Arbeitsgruppe zur Konfliktvermeidung, spricht von einem „Kampf gegen die Uhr“. Wenn die öffentlichen Dienste nicht bald funktionierten und keine Sicherheit auf den Straßen herrsche, würden die Amerikaner nicht mehr als „Befreier, sondern schlicht als eine ausländische Besatzung“ angesehen. Dies könnte zu „ernsten Unruhen“ führen.

Für das auch acht Wochen nach Kriegsende noch herrschende Chaos gibt es viele Gründe, wie mangelnde Vorbereitung auf die Nachkriegsphase und fehlende Zusammenarbeit mit den Irakern. Doch auch die am 16. Mai von der US-Zivilverwaltung verkündete Ent-Baathifizierung verhindert nach Ansicht von Beobachtern eine schnellere Wiederaufnahme der Arbeit von Ministerien, Universitäten und anderen Institutionen. Zwar forderten Iraker in Demonstrationen die Entfernung von hochrangigen Parteimitgliedern aus öffentlichen Ämtern: Der kurzzeitig von den Amerikanern eingesetzte Gesundheitsminister musste nach Protesten wegen seiner führenden Rolle im alten Regime wieder gehen. Dass alle „hochrangigen“ Mitglieder von Saddam Husseins Baath-Partei automatisch ihren Job im staatlichen Sektor verlieren sollen, ist daher wenig umstritten.

Kritik richtet sich aber dagegen, dass Iraker, die einen Posten auf den drei höchsten Management-Ebenen innehaben, auf ihre Parteizugehörigkeit untersucht werden sollen. Auch ehemalige einfache Parteimitglieder müssen ihren Posten räumen. Ausländische Beobachter und Iraker fordern, dass eher das persönliche Verhalten untersucht werden sollte, da sich nicht alle Parteimitglieder automatisch bereichert oder andere Verbrechen begangen hätten. Viele Iraker empfinden das Dekret, das wegen mangelnder Kommunikation im Lande teilweise als Gerücht oder verfälscht verbreitet wurde, deshalb als eine „Kollektivstrafe“.

In der staatlichen Kunsthochschule in Bagdad haben die Amerikaner bereits mit der Ent-Baathifizierung begonnen. Von den 15 Professoren und Lehrern im Fach Theaterwissenschaft dürfen sechs nicht mehr unterrichten. Zwei Kollegen seien wirklich Nieten gewesen und nur auf dem Parteiticket an der Universität gelandet, sagt der 62-jährige Professor Adel Mursil. Aber die anderen vier hätten seiner Ansicht nach bleiben müssen. Wer über ihre Entlassung entschieden hat, weiß er nicht: „Die betroffenen Kollegen wurden jedenfalls nicht befragt.“ Eines Tages sei ein Amerikaner beim neuen Dekan, einem jungen, unerfahrenen Kollegen, aufgetaucht und hätte ihm eine Namensliste vorgelegt. Der neue Chef habe nicht gewagt, zu protestieren, und damit sei die Entlassung der sechs Kollegen beschlossen gewesen. „Für diese guten Lehrer werden wir nicht so schnell Ersatz finden“, beklagt Mursil.

Während viele Iraker auf eine nuanciertere Vorgehensweise drängen, ist der Irakische National-Kongress (INC), die vom Pentagon gestützte Exilgruppe um den zwielichtigen Ahmed Chalabi, begeistert von der kategorischen Ent-Baathifizierung. Vermutlich ist diese Freude nicht ganz uneigennützig. Die Amerikaner hatten der Chalabi-Gruppe zunächst ein Großteil der Archive der Baath- Partei überlassen. Formal haben sie diese Dokumente zwar wieder in ihren Gewahrsam gebracht, aber Faisal Chalabi, Mitglied des INC, ist sich sicher: „Die Amerikaner werden die Dokumente nicht lesen können, dazu brauchen sie uns.“ Bereits Gebrauch gemacht hat der INC von seinem Wissen, als er mit Vorwürfen gegen den britischen Abgeordneten Galloway an die Öffentlichkeit ging. Der Abgeordnete mit guten Kontakten zum gestürzten Regime hatte gegen die Sanktionen gekämpft. Er soll angeblich dafür von Saddam Hussein bezahlt worden sein, heißt es nun. Galloway spricht von Verleumdung. Einblick in die angeblichen Beweise bekam er nicht.

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