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Politik: Nur heiße Luft?

Beim Gipfel in Nairobi verhandeln 189 Staaten darüber, wie es nach Ablauf des Kyoto-Protokolls mit dem Klimaschutz weitergehen soll

Warum gibt es Klimakonferenzen?

Vom 6. bis 17. November findet in Nairobi die 12. Klimakonferenz statt. Beim Erdgipfel 1992 in Rio hatte die Weltgemeinschaft beschlossen, dass die globale Erwärmung aufgehalten werden müsste, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Seither treffen sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention – es sind nahezu alle Staaten der Welt, nämlich 189 – jedes Jahr, um darüber zu beraten, wie. 161 dieser Staaten entschieden sich, dem Kyoto-Protokoll beizutreten, in dem sich die Industriestaaten verpflichtet haben, bis 2012 ihren Ausstoß an Treibhausgasen um fünf Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Seit der Konferenz in Montreal im vergangenen Jahr geht es nun darum, wie es nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls mit dem Klimaschutz weitergehen soll. Sämtliche Klimastudien der vergangenen Monate sind zum gleichen Ergebnis gekommen: Die globale Erwärmung vollzieht sich viel schneller, als das erwartet worden war. Und wir haben nicht mehr viel Zeit, zumal die Emissionen immer noch steigen, wie es das UN-Klimasekretariat gerade veröffentlicht hat. Wenn nicht in den kommenden zehn bis 15 Jahren gehandelt wird, wird es nicht mehr möglich sein, den globalen Ausstoß an Treibhausgasen so weit zu senken, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bei höchstens zwei Grad über dem Vorindustrialisierungsniveau stabilisiert werden kann. Das ist das Niveau, das Klimaforscher für gerade noch beherrschbar halten. Es heißt aber nicht, dass der Klimawandel dann keine Folgen hätte. Im Gegenteil: Schon heute bei einer globalen Erwärmung von 0,7 Grad über dem Niveau zu Beginn der Industrialisierung sind die Auswirkungen deutlich zu sehen. Wetterextreme wie Dürren, Überschwemmungen und schwere Stürme nehmen weltweit zu. Die Gletscher der Alpen und sämtlicher anderer Hochgebirgszüge der Welt schmelzen in beängstigendem Tempo. Am schnellsten schmilzt das Eis der Arktis rund um den Nordpol. Für die Eisbären könnte auch eine Stabilisierung der Erwärmung bei zwei Grad schon zu viel sein. Ihr Lebensraum schmilzt schon jetzt.

Was kostet der Klimawandel?

Der frühere Chefökonom der Weltbank und heutige britische Regierungsberater Nicholas Stern hat gerade eine Studie vorgelegt, in der er erstmals die Kosten des Klimawandels berechnet. Seiner Einschätzung nach könnte das Nichthandeln bis zur Mitte des Jahrhunderts rund 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung verschlingen. Dagegen wäre ein wirksamer Klimaschutz für etwa ein Prozent Wachstum zu haben. Der Stern-Report wird in Nairobi auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen. Denn er gibt vor allem Entwicklungsländern wichtige Argumente an die Hand, warum es sich für die Industriestaaten lohnt, ihnen beim Aufbau einer klimafreundlichen Energieversorgung zu helfen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet nur in Deutschland bis 2050 mit Schäden durch Naturkatastrophen in Höhe von 137 Milliarden Euro. Aber natürlich ist auch Klimaschutz nicht umsonst zu haben. In Deutschland müssen die großen Konzerne seit 2005 eine Obergrenze für den Ausstoß von CO2 einhalten. Sie erhalten kostenlos Emissionsrechte, kommen sie damit nicht aus, müssen sie Zertifikate zukaufen. Die Ökosteuer soll helfen, den CO2-Ausstoß von Verkehr und Haushalten zu senken. Darüber hinaus hat die Bundesregierung Förderprogramme für erneuerbare Energien und die Altbausanierung aufgelegt. Wenn all das nicht ausreicht, können Firmen seit diesem Jahr auch sogenannte CDM-Projekte in Entwicklungsländern unterstützen und so weitere Emissionszertifikate erwerben. Mit dem Clean Development Mechanism (CDM) soll Entwicklungsländern dabei geholfen werden, Fehler der Industriestaaten zu vermeiden. Bisher sind beim UN-Klimasekretariat 375 CDM-Projekte registriert. Mehr als 900 weitere sind in Vorbereitung – allerdings bisher noch keines in Afrika.

Welche konkreten Beschlüsse sind in Nairobi zu erwarten?

Da die Konferenz in einem Entwicklungsland stattfindet, das bereits stark unter dem Klimawandel leidet, dürfte die Anpassung an die Erwärmung eine große Rolle in der Diskussion spielen. Schon bei vorhergehenden Konferenzen ist ein Anpassungsfonds für Entwicklungsländer beschlossen worden, weil sie am meisten unter den Klimaveränderungen leiden – und am wenigsten dazu beigetragen haben. Bei der Abwicklung jedes CDM-Projekts wird eine Gebühr erhoben, die in den Anpassungsfonds fließt. Nach Einschätzung der deutschen Verhandlungsdelegation könnten sich darin bis zum Auslaufen des Kyoto-Protokolls rund 400 Millionen Dollar angesammelt haben. Bisher ist allerdings noch nicht entschieden worden, wofür das Geld ausgegeben werden soll, und auch nicht, wie mehr Geld in den Fonds kommt, denn 400 Millionen Dollar werden nicht ausreichen. Sollen mit dem Geld Dämme auf gefährdeten Pazifikinseln gebaut werden, oder soll das Geld verwendet werden, um die Umsiedlung ganzer Inselbevölkerungen zu finanzieren? Denn eine Reihe von Inseln sind, selbst wenn die Treibhausgase dramatisch reduziert werden, durch Dämme nicht mehr zu retten. Anpassungsprojekte können aber auch noch komplexer ausfallen: Der Nordosten Kenias hat in den vergangenen drei Jahren die schlimmste Dürre aller Zeiten erlebt. Die Folge war eine katastrophale Hungersnot. Inzwischen hat der Regen eingesetzt, aber so stark, dass ganze Landstriche überschwemmt worden sind. Wie kann die Landbevölkerung vor Dürre geschützt werden? Und wie lassen sich die Konflikte zwischen Bauern und Hirten um Land, Gras und Wasser lösen? All das müsste Teil eines solchen Anpassungsprojektes sein. Daran wird deutlich, dass solche Projekte enorm korruptionsanfällig sind. Und dass viele Regierungen vor allem in Afrika noch gar keine Vorstellung haben, wie sie sich an den Klimawandel anpassen könnten.

Warum ist es so schwierig, ein Kyoto-Folgeabkommen zu beschließen?

In Nairobi ist noch kein Verhandlungsmandat für ein Folgeabkommen zu erwarten, weil bei den Vereinten Nationen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Ein Quertreiber genügt, um ein Abkommen zu verhindern. Und Quertreiber gibt es viele. Die Opec-Staaten boykottieren den Verhandlungsfortschritt seit Jahren hartnäckig mit ihrer Forderung, für ihre schwindenden Öleinnahmen im Falle eines konsequenten Klimaschutzes vollständig entschädigt werden zu wollen. Die USA haben sich 2001 aus dem Kyoto-Prozess verabschiedet, sind aber nach wie vor der größte Emittent von Treibhausgasen. Eine so dramatische Reduktion von Treibhausgasen, wie sie notwendig wäre, ist aber nur mit den USA zu haben. Bis 2050 müssten die Industriestaaten ihre Emissionen um 60 bis 80 Prozent mindern, um das Zwei-Grad-Ziel erreichen zu können. China hat bisher eine konstruktive Rolle gespielt. Bisher ging es auch noch nicht um Reduktionsverpflichtungen für Schwellen- und Entwicklungsländer. Trotzdem hofft die deutsche Delegation, spätestens 2007 einen konkreten Verhandlungsauftrag für ein Kyoto-Folgeabkommen zu bekommen.

Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) fand zum ersten Mal 1995 in Berlin statt. Bei dem jährlich stattfindenden Gipfel treffen sich die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention. Sie vereinbarten 1997, zwischen 2008 und 2012 die Emissionen der sechs Treibhausgase Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dies wurde im Kyoto-Protokoll festgehalten.

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