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Ökonom Peter Eichhorn: „Wir ersticken in Bürokratie“

Im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat zur Hartz-IV-Reform geht es derzeit nicht nur um das Geld für Langzeitarbeitslose und deren Kinder. Verhandelt wird auch, und das nicht zuletzt, über die dazugehörige Bürokratie.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) möchte zur Verwaltung der Bildungs- und Teilhabeangebote für Kinder 1300 Stellen im Rahmen der Bundesagentur für Arbeit schaffen. Die Opposition ist dagegen, sie will die Kommunen damit beauftragen (was deren Stellenpool aber auch nicht schrumpfen lassen wird). Für Peter Eichhorn, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident der privaten SRH-Hochschule in Berlin, ist es ein weiteres Beispiel dafür, wie durch neue Gesetze immer wieder neue Verwaltungen geschaffen werden. Leyens Vorhaben mute an wie eine „Beschäftigungsinitiative“. „Dabei ersticken wir in Deutschland geradezu in Bürokratie“, konstatiert der Professor, der seit Jahren fordert, die Verwaltungen effizienter zu machen, indem sie verkleinert und hierarchische Verfahren durch mehr Eigenständigkeit auf allen Ebenen ersetzt werden.

Ermutigt fühlt sich Eichhorn nun durch den Bericht der Strukturkommission des Bundesverteidigungsministeriums, die unter anderem eine Halbierung der Stellenzahl empfohlen hat. „Es ist erfreulich, dass die Kommission nun zu einem Schluss gekommen ist, den viele Wissenschaftler schon seit langem teilen“, findet Eichhorn. Er selbst kam vor einigen Jahren im Fall des Bundesverkehrsministeriums unter anderem zu dem Ergebnis, dass nur ein Drittel der Mitarbeiter ministerielle Kernaufgaben wahrnahmen. „Die damaligen Erkenntnisse lassen sich heute wiederholen, die Politik hat nie reagiert“, sagt der Ökonom. Dabei hätten die Bundesverwaltungen längst die kritische Grenze erreicht. „Zu groß, zu wenig überschaubar, zu komplex“, so lautet Eichhorns Urteil. Zu viele Entscheidungen würden nach oben gezogen, untere Ebenen hätten keine oder zu geringe Spielräume für eigenständige Entscheidungen. „Im Grunde gilt immer noch: Defizite politischer Handlungsfähigkeit offenbaren eine Überlastung der politisch-administrativen Führungsebene und eine daraus resultierende Kurzatmigkeit der Politik.“

Angesagt wäre laut Eichhorn eine Entschlackung der „kopflastigen und reformbedürftigen Regierungs- und Verwaltungsorganisation des Bundes“, etwa durch die Verlagerung nicht ministerieller Aufgaben auf nachgeordnete Bereiche – die dann auch gar nicht in Berlin ansässig sein müssten. So könnte man auch die in Bonn verbliebene Bürokratie nutzen. „Hätte man das bereits beim Umzug der Regierung nach Berlin getan, hätte die Politik dem Steuerzahler auch viel Geld sparen können.“

Ein Bürokratismusproblem sieht Eichhorn auch darin, dass die Möglichkeit der Pauschalierung von staatlichen Leistungen zu wenig genutzt werde. Die Suche nach Einzelfallgerechtigkeit in jedem individuellen Fall führe letztlich zu einer „Ungerechtigkeit allen gegenüber“, weil die Bürokratiekosten entsprechend stiegen. Ein Beispiel ist für ihn die Verwaltung der deutschen Rentenversicherung, „ein unvorstellbarer Moloch“, bei dem sich tausende Stellen einsparen ließen, würde man bei der Rentenberechnung pauschaler verfahren wie etwa in der Schweiz. Diese Mittel könnten dann in sinnvollere Stellen etwa im Bildungssektor und der Altenpflege umgeleitet werden.

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