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Floskeln über Syrien, mutlos gegenüber Moskau: Olaf Scholz’ Außenpolitik verzwergt Deutschland
Im Kanzleramt lässt Olaf Scholz eine Außenpolitik organisieren, die geradezu konservativ den Status quo verwaltet. Das wird der disruptiven Weltlage nicht gerecht.

Stand:
Das Ende der Assad-Herrschaft über Syrien sei eine gute Nachricht, erklärte Olaf Scholz am Sonntag und verlangte: „Jetzt kommt es darauf an, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt werden.“ Wann bitte herrschten in Syrien jenes Recht und jene Ordnung, die Scholz „wieder“ herzustellen verlangte?
Das Wort „wieder“ ist bezeichnend für die Außenpolitik des Bundeskanzlers, auch wenn er es später vermied. In Syrien ist nach gut fünf Jahrzehnten ein brutales Regime gestürzt. Die Regierung Deutschlands, in dem über eine Million syrischstämmige Menschen leben, sah dafür offenbar keinerlei Anzeichen (was macht eigentlich der BND?).
Während Assad-Statuen zum Jubel der Menschen gestürzt werden, ruft der sozialdemokratische Bundeskanzler nach „Recht und Ordnung“.
Das erinnert an die Sprach- und Fassungslosigkeit vieler Sozialdemokraten nach dem Fall der Berliner Mauer. Auch 1989/90 fiel eine jahrzehntelange Ordnung in sich zusammen. Die „Stabilitätspolitiker“, allen voran der SPD-Außenpolitiker Egon Bahr, reagierten auf die Freiheitsbestrebungen abwehrend, in Sorge um den ihnen lieb gewonnenen Status quo.
Plötzliche Veränderungen, ja Eruptionen sind Diplomaten oft ein Gräuel. Sie stören das business as usual. Sie stellen das bisherige Denken infrage. In Deutschland haben die Diplomaten das Sagen, zumal unter diesem Bundeskanzler.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellte sich Scholz mit seiner „Zeitenwende“-Rede endlich den Realitäten, relativierte aber diese Klarheit sogleich. Seither lässt er die Außenpolitik im Kanzleramt im alten Trott organisieren.
Neulich informierte der außenpolitische Berater des Kanzlers die Verbündeten über das Telefonat mit Putin (das ganz der alten Logik folgt) per E-Mail. In der Betreffzeile schrieb er irrtümlich, wie „Politico“ berichtete, „Bundeskanzler Schröder“ habe mit Russland gesprochen. Freud hätte seine Freude!
Emmanuel Macron, innen- und machtpolitisch ähnlich unter Druck wie Scholz, hält es ganz anders als Scholz. Er handelt. Der französische Präsident nutzte die Feier zur Wiedereröffnung von Notre-Dame, um seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj und den zwar gewählten, aber noch nicht amtierenden US-Präsidenten Donald Trump nach Paris einzuladen.
Macron, Selenskyj und Trump berieten hier über den Ukraine-Krieg. Macron lud gar Elon Musk ein. Was würde das Protokoll des Auswärtigen Amtes (AA) wohl dazu sagen?
Kann man sich vorstellen, dass Olaf Scholz eine mit der Eröffnung von Notre-Dame vergleichbare Feier in Deutschland genutzt hätte, um Selenskyj und den designierten Präsidenten Trump einzuladen? Eher nicht. Macron preschte nach vorn.
Scholz verwaltet, wie einst Angela Merkel. „Trump ist doch noch gar nicht im Amt“ – so denken deutsche Diplomaten, so haben sie es gelernt in der Aus- und Fortbildungsstätte des AA in Bonn-Ippendorf.
Ausgerechnet Steinmeier!
Dass Scholz nicht einmal in Paris präsent war, begründet dessen Umfeld mit dem – bitte halten Sie sich fest! – Protokoll. Schließlich sei doch, ausgerechnet, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zugegen gewesen. Ein Krieg tobt in Europa, der Präsident des angegriffenen Landes berät mit dem künftigen Mann im Weißen Haus – und Deutschland kettet sich ans diplomatische Protokoll.
Übrigens: Italien war in Paris mit Präsident und Ministerpräsidentin präsent.
Die floskelhafte, technokratische, weitgehend starre Außenpolitik, die Scholz betreiben lässt, macht Deutschland klein. Bis heute agiert man mit den immer gleichen Formeln aus dem Genscher- und Steinmeier-Handbuch („Es kommt jetzt darauf an, dass beide Seiten aufeinander zugehen“), während sich die Welt rasant, disruptiv ändert. Bewegungslosigkeit in einer Zeit der Bewegung – eigentlich erstaunlich, zumal für sich progressiv verstehende Politiker wie Scholz.
So gerät die deutsche Außenpolitik zur Verteidigerin des Status-quo, zu einer konservativen Außenpolitik. Der Verweis auf KSZE-Protokolle aus den 1970er Jahren wird nicht genügen, um die Umbrüche der heutigen Zeit zu gestalten, und die Hohlformeln aus dem Attaché-Lehrgang von einst ebenso wenig.
Man kann die politische Agenda eines Donald Trump, früher eines Boris Johnson, aus vielen guten Gründen ablehnen. Doch mit der Form ihrer Außenpolitik wird Deutschland kalkulieren und umgehen müssen.
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