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© Mike Wolff

Ortstermin: Fröhliche Andacht

Andrea Dernbach trifft bei der Friedenspreisverleihung an der FU zwei Gläubige in der Politik.

Die Gebäude der Freien Universität in Dahlem haben so gar nichts Sakrales. Aber wie schon die Betonindustrie einst so schön warb: Es kommt drauf an, was man draus macht. So konnte man sich am späten Freitagnachmittag im Henry- Ford-Bau zeitweise wie in der Kirche fühlen. Zwei gläubige Politiker trafen aufeinander: Erzbischof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger, Anti-Apartheid- Kämpfer, und Annette Schavan, Bundesforschungsministerin und prominente Katholikin, die die Laudatio auf den neuen, den dritten Träger des Freiheitspreises der Freien Universität hielt.

Alpha und Omega, mit Gott begann und endete die Rede Schavans auf den 77-jährigen Tutu. Dessen politisches Programm sei das Evangelium. Gegen die „weißen Pharisäer“, die für die behauptete Unterlegenheit der Schwarzen die Bibel bemühten, habe er gepredigt, dass Apartheid Sünde sei. Später verteidigte er mit der Wahrheitskommission, deren Leitung ihm Staatspräsident Nelson Mandela anvertraut hatte, Versöhnung auch gegen die Zweifel derer, denen Südafrikas Rassisten Teile ihres Lebens gestohlen und sie physisch und psychisch verletzt hatte. Hier sei ein Mann, „dessen Glaube gleichsam Berge versetzt hat“, sagt Schavan. Heute sei er das Gewissen Südafrikas, wenn nicht Afrikas, auch gegen Machtmissbrauch der neuen Eliten.

Soweit der rheinisch-katholische Teil dieses Gottesdienstes im Henry-Ford-Bau. Für das, was dann kam, ist bedrucktes Papier eigentlich nicht das richtige Medium: Tutu sang seine Rede. Er wechselt Tempi und Tonstärken, reißt Witze über sich selbst, „köstliche Geschichten aus den alten Zeiten der Apartheid“ ebenso wie er von den schwärzesten Stunden dieser Zeit erzählt: „Aber dann kam ein Brief aus Alaska – hey, aus Alaska –, und da hieß es: Wir beten für euch. Verstehen Sie: In Alaska hat man für uns gebetet! Und aus den Wäldern in Kalifornien kam ein Brief: Ich stehe jeden Morgen um zwei Uhr auf und bete für euch. In den Wäldern Kaliforniens, Tutu sagt es mit ausgiebigen Betonungspausen, „hat jemand für uns gebetet. Um zwei Uhr morgens!“

Und damit auch kein Zweifel bleibt, dass dies keine richtige Feierstunde werden soll, schiebt der alte Erzbischof unter dem Gelächter der Festgemeinde hinterher, dass ja auch Geld geschickt wurde. „Und das war nützlich.“ So konnte Südafrikas Kirche die Hoffnung aufrechterhalten, dass die andere Seite zwar alle Gewehre besitze, aber trotzdem schon verloren hätte. Man stehe in einer Tradition, die von Rosa Parks, der schwarzen Näherin, die sich in einem Bus in Alabama weigerte, den für Weiße reservierten Platz zu räumen und so die Bürgerrechtsbewegung wurde, bis heute reiche: „Rosa Parks sprach, damit Martin Luther King marschieren konnte. Weil er marschiert ist, konnte Barack ins Rennen um die Präsidentschaft gehen. Und weil Barack rannte, werden unsere Kinder einmal fliegen können.“ Zum Schluss ist nicht mehr von Gott die Rede. Tutu sagt ganz einfach und auf deutsch: „Dankeschön.“

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