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Pro-westlicher Protest. In der Ukraine demonstrierten Tausende gegen den Kurs der Regierung, der eine Annäherung an Russland vorsieht. Zu den Demonstranten gehörte auch ein Aktivist in Kiew, der Bänder in den Farben der EU verteilte. Foto: Gleb Garanich/Reuters

© REUTERS

Nach Ende des ukrainischen Europakurses: Ostpolitik in Trümmern

Nach der Abkehr der Ukraine vom Westen steht die EU vor einem Scherbenhaufen Von der östlichen Partnerschaft ist nicht mehr viel übrig – jetzt sollen die Fehler analysiert werden.

Die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hat in der mittäglichen Brüsseler Journalisten-Fragerunde am Freitag einen schweren Stand gehabt. Sie wollte partout nicht den Fragestellern recht geben, die das vorläufige Ende des ukrainischen Europakurses als schwere diplomatische Niederlage der EU-Außenpolitik bezeichneten. „Das Partnerschaftsabkommen hätte Vorteile für alle Seiten gebracht. In diesem Geist arbeiten wir weiter“, sagte Maja Kojijancic lediglich. Zwar sei man angesichts der Abkehr der Ukraine vom Westen „enttäuscht“, doch könne der EU-Gipfel nächste Woche in Litauens Hauptstadt Vilnius „immer noch Ergebnisse liefern“. Zu Konsequenzen oder eigenen Fehlern gar verlautete am Freitag von der EU-Kommission nichts.

Im Hintergrund freilich hat die Fehleranalyse begonnen. Am Nachmittag trafen sich Vertreter aller 28 EU-Mitgliedstaaten zu einer Krisensitzung im Brüsseler Ratsgebäude. Denn die EU-Nachbarschaftspolitik, und hier speziell die 2009 mit viel Pomp gestartete östliche Partnerschaftsstrategie, liegt in Trümmern: Mit der Ukraine hat sich der größte Staat der insgesamt für die Partnerschaft vorgesehenen sechs Länder eine Auszeit erbeten. Armenien und Weißrussland haben sich schon zuvor lieber in die Zollunion mit Russland verabschiedet. Und auch Aserbaidschan hat längst bekundet, auf ein Abkommen mit der EU verzichten zu wollen.

Der Druck Russlands ist gewaltig

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint nicht einmal sicher, ob Georgien und Moldawien – so die bisherige Planung – in Vilnius offiziell in Freihandelsgespräche und Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen eintreten werden. Auch sie stehen, ähnlich wie die Ukraine, unter gewaltigem Druck Russlands – auch wenn Kremlchef Wladimir Putin am Freitag den Vorwurf bestritt und seinerseits der EU die „Erpressung“ der Ukraine vorwarf. Georgien und Moldawien registrieren sehr genau, dass nicht einmal der größte Staat in der Runde sich aus der aus Sowjetzeiten weiterbestehenden Umklammerung Moskaus zu lösen vermag.

Bevor aus dem Scherbenhaufen der Ost-Partnerschaft ein neues Gebilde werden kann, dürfte in Brüssel eine eingehende Fehleranalyse auf der Tagesordnung stehen. Die Analyse beinhaltet, dass die Attraktivität des eigenen Angebots so schlecht nicht sein kann, da in Kiew spontan gegen den Präsidenten demonstriert wird, der es ausschlug. Als größter eigener Fehler wird dagegen gesehen, zu nachsichtig mit der ukrainischen Führung gewesen zu sein. „Wir haben uns zu lange austricksen lassen“, heißt es in Kreisen der Kiewer EU-Vertretung. Auf die auch von Kiew erhobene Forderung, Moskau in Gespräche einzubinden, reagierte die EU-Kommission zurückhaltend.

Timoschenko ruft zu Protesten auf

Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat ihre Landsleute aufgerufen, gegen die überraschende Abkehr der Regierung vom Westkurs zu protestieren. „Ich rufe alle Menschen auf, darauf wie auf einen Staatsstreich zu reagieren“, schrieb die Oppositionsführerin aus der Haft in einem Brief, den ihr Anwalt am Freitag verlas. Gleichzeitig bot Timoschenko an, im Gegenzug für den Abschluss des Assoziierungsabkommens auf eine Behandlung in Deutschland zu verzichten. „Wenn Sie sich zur Unterzeichnung des Abkommens entschließen, werde ich am selben Tag die europäischen Anführer bitten, den Vertrag bedingungslos zu unterschreiben“, appellierte sie an Staatschef Viktor Janukowitsch. (mit rtr/dpa)

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