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„Brüder, egal was passiert“. Ein Bewohner Jerusalems neben einem Plakat, auf dem sich Vertreter der palästinensischen Fatah und der Hamas umarmen.

© AFP

Palästinenser-Vertreter: "Einigung war europäische Forderung"

Fatah und Hamas legen am heutigen Mittwoch ihren Streit offiziell bei. Der Tagesspiegel spricht mit dem Palästinenser-Vertreter in Deutschland, Abdel-Shafi, über das Einigungsabkommen.

Die Einigung von Fatah und Hamas auf eine gemeinsame Regierung hat alle Welt überrascht. Wie kam das?

Das hat mit den Umbrüchen in der arabischen Welt zu tun, die auch Auswirkungen auf Palästina haben. Mitte März haben zehntausende junge Menschen in Gaza und der Westbank dafür demonstriert, die Spaltung zu beenden. Zudem hat die palästinensische Führung vor, im September in den Vereinten Nationen einen Antrag auf Anerkennung Palästinas in den Grenzen von 1967 zu stellen. Dazu müssen wir einheitlich aufzutreten.

Hamas hat sich aber nicht bewegt im Hinblick auf einen Gewaltverzicht oder die Anerkennung Israels.

Das hat keine Rolle gespielt. Denn Hamas wird nicht in der Regierung vertreten sein, ebenso wenig wie Fatah. Es wird eine Regierung unabhängiger Technokraten sein. Ihre Aufgabe: Den Wiederaufbau in Gaza einzuleiten und Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorzubereiten. Diese Regierung hat kein politisches Mandat und wird mit den Friedensverhandlungen nichts zu tun haben. Die Verhandlungen mit Israel waren schon immer Sache der PLO, welche die Palästinenser politisch vertritt, und ihres Präsidenten Mahmoud Abbas. Die PLO hat alle Verträge mit Israel unterschrieben und wird dies auch zukünftig tun.

Israel sieht das aber anders.

Wenn man sich das Oslo-Abkommen anschaut, wird deutlich, dass die palästinensischen Behörden mit Politik nichts zu tun haben. Sie kümmern sich ausschließlich um Wirtschaft, Finanzen, Wasser, Gesundheit oder Ausbildung.

Aber auch die ersten Reaktionen in Europa waren zurückhaltend bis ablehnend.

Im Gegenteil: Der luxemburgische Außenminister hat die Einigung vor wenigen Tagen ausdrücklich begrüßt. Er war der erste Europäer, der das in dieser Klarheit ausgedrückt hat. Andere warten noch. Verwundert hat uns die ablehnende Stellungnahme von Herrn Westerwelle. Das Ende der Spaltung der Palästinenser war doch schon immer eine europäische Forderung.

Präsident Abbas kommt am Mittwoch zu Besuch nach Berlin. Kanzlerin Angela Merkel hat bereits erklärt, Deutschland werde keinen Staat Palästina in den UN anerkennen. Wird dies ein schwieriger Besuch?

Nein. Wir sind gespannt, mit welcher Begründung Deutschland uns überzeugen will, dass es keine gute Idee ist, die UN anzurufen. Wie will man begründen, dass man Palästina nicht anerkennt, wohl aber Südsudan? Präsident Abbas will erfahren, welche anderen Ideen Deutschland hat, um den Prozess wiederzubeleben. Kanzlerin Merkel hat ihn ja nach Berlin eingeladen, nachdem die Wiederaufnahme von Verhandlungen und auch ein Treffen des Nahost-Quartetts in Berlin gescheitert waren. Wir sagen: Die Anerkennung eines Staates Palästina ist nicht das Ende von Verhandlungen, aber die letzte Chance, die Zwei-Staaten-Lösung völkerrechtlich und juristisch zu retten. Und es ist doch keine einseitige Erklärung, wenn wir durch die UN anerkannt werden.

Was passiert, wenn die UN einen Staat Palästina anerkennen, Deutschland aber nicht?

Dann muss die Bundesregierung uns raten, wie der Handlungsspielraum unserer diplomatischen Vertretung aussehen soll.

Israel hat sofort, Steuern und Zölle, die sie für die Palästinenser einnimmt und an die Autonomiebehörde weiterleiten muss, eingefroren.

Das ist ein Akt der finanziellen Piraterie. Dass Israel nicht einmal wartet, bis die Einheitsregierung zustande kommt, zeigt die Arroganz der Regierung.

Erhoffen Sie sich in dieser Frage von Deutschland Unterstützung?

Natürlich, das ist das Mindeste.

Präsident Abbas wollte erstmals Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland treffen. Der Zentralrat hat dies mit Verweis auf die palästinensische Einigung abgelehnt.

Dies zeigt, dass der Zentralrat der Juden sich seine politische Haltung von Israel diktieren lässt. Präsident Abbas hat sich mit Vertretern jüdischer Gemeinden in den USA und Frankreich getroffen und es waren immer konstruktive Treffen.

Die Deutsche Bahn International hat sich aus einem Schienenprojekt in Israel zurückgezogen, das teils über besetztes palästinensisches Land laufen soll. Zeugt dies von einem Umdenken?

Es beweist eine Sensibilisierung. Die DB International ist Eigentum des Bundes und die Haltung der Bundesregierung zu israelischen Siedlungen ist klar: Sie sind illegal. Investitionen auf besetztem Boden sind demnach illegal. Vor etwa vier Wochen wurde uns mitgeteilt, dass die DB International sich nicht an ’politisch sensiblen Projekten’ beteiligt und dies in Zukunft auch nicht tun wird.

Das Interview führte Andrea Nüsse.

Salah Abdel-Shafi ist seit 2010 Generaldelegierter der Palästinenser in Deutschland. Der 1962 in Gaza geborene Wirtschaftswissenschaftler hat in Berlin und Harvard studiert.

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