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Pankow: „Verrückter Wahlkreis“

Wolfgang Thierses Niederlage in Pankow schockt die SPD. Für den Sieger Stefan Liebich gibt es auch von der Konkurrenz Lob.

Sie haben es nicht kommen sehen. „Das ist unbegreiflich“, sagt der Pankower Sozialdemokrat Severin Höhmann. „Die Stimmung auf den Straßen war so positiv für Wolfgang Thierse – das Ergebnis hätten wir nie erwartet.“ Höhmann, Leiter von Thierses Wahlkreisbüro, ist am Montag so erschüttert wie die meisten anderen Parteifreunde des Bundestagsvizepräsidenten und Berliner SPD-Spitzenkandidaten, dem Beobachter erneut den Sieg im Wahlkreis Pankow prophezeit hatten.

Das vereitelten 2321 Pankower Wähler. So viel mehr Stimmen bekam Stefan Liebich, der Direktkandidat der Linken. „Der herbe Niedergang der SPD hat sich auch bei den Stimmen für Thierse niedergeschlagen“, analysiert der Gewinner. Ihm selbst hingegen hätten neben dem generellen Aufwind für die Linke auch vier Jahre konsequente Arbeit im Wahlkreis geholfen, sagt Liebich. Das bekommt er auch von der politischen Konkurrenz attestiert: „Liebich war in den vergangenen Jahren viel im Wahlkreis unterwegs, nicht nur im Wahlkampf“, sagt Jens-Holger Kirchner, Pankower Bezirksstadtrat und Mitglied von Bündnis90/Grüne. Liebich sei „bekannt, eloquent und ein neuer Typ von Politiker“.

Für Matthias Köhne (SPD), einst Büroleiter Klaus Wowereits und jetzt Pankower Bezirksbürgermeister, erklärt das aber noch nicht, weshalb Thierse scheiterte. Auch Thierse sei im Bezirk stets präsent gewesen, zudem habe der Bundestagsvize für die SPD „durchaus noch einiges rausgeholt“, wie Köhne mit Blick auf die 27,4 Prozent der Erststimmen für den Sozialdemokraten sagt – gegenüber gerade mal 18,6 Prozent Zweitstimmen für die SPD im Wahlkreis.

Dass Pankow dennoch mit 28,8 Prozent der Erststimmen für Liebich an die Linke fiel, erklären Beobachter wie Köhne mit dem Bundestrend. „Der war einfach übermächtig“, sagt auch der Pankower SPD-Vorsitzende Alexander Götz. Thierse habe sich zwar gegen den Trend behaupten können und sei in einigen Wahllokalen noch die Nummer eins gewesen. Aber wegen der flächendeckenden Zuwächse für die Linke und auch durch punktuelle Gewinne der Grünen und ihres Spitzenkandidaten Heiko Thomas habe es eben diesmal nicht mehr gereicht. Dennoch will er Thierse eher als Gewinner denn als Verlierer sehen, macht Götz klar: „Mit einem anderen Kandidaten in Pankow wäre das Ergebnis noch schlechter gewesen.“

Thierses Wahlkämpfer Severin Höhmann sucht Trost in der Erkenntnis, dass in Pankow am Sonntag noch ein paar andere Ergebnisse entgegen aller Erwartung ausfielen. So habe der im Wahlkampf als chancenlos eingeschätzte CDU-Direktkandidat Gottfried Ludewig am Schluss mehr Erststimmen bekommen als der Kandidat der eigentlich im Bezirk zunehmend starken Grünen. Höhmanns Fazit: „Pankow ist insgesamt ein verrückter Wahlkreis“. Lars von Törne

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