zum Hauptinhalt
Papst Franziskus reist in den Nahen Osten.

© dpa

Papst-Reise in den Nahen Osten: Die Versöhnungsgeste des Franziskus

Papst Franziskus reist mit einem Rabbiner und einem Islamgelehrten in den Nahen Osten. Eine Geste der Versöhnung. Doch was kann der Besuch in der aufgewühlten Region wirklich bewirken?

Amman, Bethlehem, Jerusalem – für den 77-jährigen Papst Franziskus ist es seine zweite Auslandsreise und sie führt ihn in die Heimat Jesu und zur Wiege des Christentums. Von Sonnabend an besucht der Papst drei Tage lang den turbulenten Nahen Osten – konfrontiert mit Zukunftsängsten der örtlichen Christen, wachsendem islamischem und jüdischem Extremismus sowie einem mörderischen Bürgerkrieg in Syrien.

Steht der Besuch unter anderen Vorzeichen als jene seiner Vorgänger?

Auf den ersten Blick folgt Papst Franziskus ihren Spuren. Doch der Argentinier Jorge Bergoglio ist durch weniger historisches Gepäck belastet als seine päpstlichen Vorgänger, die wegen ihrer europäischen Herkunft von Muslimen leichter mit westlicher Kolonialgeschichte und pauschaler Islamkritik sowie von Juden eher mit Antisemitismus und Holocaust in Verbindung gebracht werden konnten. Als Zeichen seiner größeren Unbefangenheit lässt sich Franziskus im Heiligen Land dann auch von zwei alten Freunden aus Buenos Aires begleiten, dem Rabbiner Abraham Skorka und dem Islamgelehrten Omar Abboud. „Dass sie eins seien“, hat der Vatikan als Motto ausgegeben, symbolisiert durch die Apostel Petrus und Andreas in einem Boot, das Segel umschrieben mit lateinischer und in griechischer Schrift.

Gemeint ist vor allem die Aussöhnung zwischen West- und Ostkirche, zwischen Rom und Konstantinopel, zwischen Katholiken und Orthodoxen – aber auch zwischen Christen und Muslimen sowie Christen und Juden. Zusammen mit Skorka, dem Rabbiner, hat Bergoglio auch schon ein Buch geschrieben, und auf Skorka geht auch die Idee dieser Reise zurück. „Wir träumen schon lange davon, uns vor der Klagemauer in Jerusalem zu umarmen, um ein Zeichen zu setzen gegen die zweitausendjährige Uneinigkeit zwischen Christen und Juden, und dann gemeinsam nach Bethlehem (im Palästinensergebiet) zu gehen, um eine unauslöschliche Botschaft des Friedens für diese Region zu hinterlassen“, sagte Skorka.

Welche Stationen wird Franziskus auf seiner Reise einlegen?

Am Samstag trifft das katholische Oberhaupt in Jordanien ein und hält einen Open-Air-Gottesdienst im Stadion von Amman, was 70000 Teilnehmer fasst. Abends trifft er sich mit behinderten Jugendlichen und syrischen Flüchtlingen, deren Schicksal ihm besonders am Herzen liegt. Jordanien beherbergt mittlerweile rund 1,3 Millionen entwurzelte Syrer, die mittlerweile zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung in dem haschemitischen Königreich ausmachen.

Am Sonntag folgt der Festgottesdienst auf dem Manger-Platz in Bethlehem im Schatten der Geburtskirche, wo bereits Johannes Paul II. im Jahr 2000 und Benedikt XVI. im Jahr 2009 mit den orientalischen Christen Eucharistie feierten. Anschließend reist Franziskus nach Jerusalem, wo er am Abend in der Grabeskirche mit dem Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., zum ökumenischen Gipfel zwischen lateinischer und orthodoxer Kirche zusammenkommt – aus der Sicht des Vatikans der Höhepunkt der Reise.

Bartolomäus’ Einladung an Franziskus ist der formelle Anlass für die Reise: Fünfzig Jahre nach der historischen Umarmung zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras, die – just in Jerusalem – das tausendjährige Eis zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens brach, wollen Franziskus und Bartolomäus die Einheit des Christentums bekräftigen. Und das nicht nur theoretisch-theologisch. In der Jerusalemer Grabeskirche wollen sie Seite an Seite auch in kirchenpolitischer Absicht beten: Das 1700 Jahre alte Gotteshaus ist berüchtigt für die Streitereien und auch Prügeleien, mit denen die diversen christlichen Konfessionen ihre Gottesdienstnischen oder –zeiten sowie ihre Prozessionswege verteidigen.

Am Montag, dem dritten Besuchstag, folgen nach dem Gespräch mit dem Großmufti von Jerusalem Besuche an der Klagemauer und in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Die letzten Stunden vor seiner Rückreise nach Rom verbringt der Pontifex mit heimischen Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in der Gethsemane-Kirche auf dem Ölberg.

Wie steht es um die offiziellen Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan?

Sie treten auf der Stelle; auch 21 Jahre nach Abschluss ihres „Grundlagenvertrags“ und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen kommen sich beide Seiten vor allem in Eigentumsfragen nicht näher. Ein Auslöser der ultraorthodoxen Proteste der jüngsten Zeit soll das Gerücht gewesen sein, Jerusalem wolle den „Abendmahlssaal” an Rom abtreten. Der Ort des christlichen Ur-Gottesdienstes aber befindet sich im selben Gebäude, in dem Juden das „Grab des Königs David“ verehren. Israels Außenminister Avigdor Liberman dementierte kategorisch: Israel, sagte er, habe „keinerlei Absicht, während des Papstbesuchs irgendeinen Vertrag über irgendwelche Abtretungen zu unterschreiben oder sonst irgendwelche Gesten anzubieten“.

Wie ist die Lage der Christen im Nahen Osten generell?

In den vergangenen Wochen, also im Vorfeld des Papstbesuchs, wurden in Israel vermehrt Übergriffe auf christliche Einrichtungen und antichristliche Schmähparolen registriert. Im Nahen und Mittleren Osten leben heute 17 Millionen Christen unter den 400 Millionen Muslimen. Überall sind sie kleine Minderheiten, angefangen von einem Prozent im Iran und in der Türkei, über drei Prozent in Israel und Jordanien, fünf Prozent in Syrien bis hin zu zehn Prozent in Ägypten. Christen und Juden haben diese Region mitgeprägt, genauso wie Muslime und Juden. Trotzdem werden sie von selbsternannten Gotteskriegern und ihren geistigen Führern immer aggressiver denunziert als Agenten des Westens, als Fremdkörper in ihren eigenen Völkern oder gar als Ungläubige.

Im Oktober 2010 rief Vorgängerpapst Benedikt XVI. darum 150 Patriarchen und Bischöfe der Region zu einer Sondersynode für die östlichen Kirchen in Rom zusammen – das erste Krisentreffen dieser Art in zweitausend Jahren Kirchengeschichte. Es sollte Wege suchen aus der „dramatischen Lage“ der Christen dort, wo einst ihre Weltreligion entstand – eine Initiative, die sich auch Nachfolger Franziskus zu eigen macht. „Wir als Kirche“, erklärte er kürzlich bei einer Audienz, „dürfen uns nicht abfinden mit einem Orient ohne Christen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false