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ARCHIV - 28.11.2022, Hessen, Wiesbaden: Eine Ermittlerin der Besonderen Aufbauorganisation BAO Fokus (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern) sitzt im Landeskriminalamt Hessen vor einem Monitor mit Fotodateien.

© dpa/Arne Dedert

Paragrafen-Reform wird zurückgenommen: Strafen für Kinderpornografie sollen wieder gesenkt werden

2021 hatte die Bundesregierung das Gesetz über Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten verschärft. Die Verschärfung wird nun zurückgenommen. Besonders Juristen waren dafür.

Von Philipp Blanke

Diese Gesetzesdebatte wird schwierig. Paragraf 184b des Strafgesetzbuchs über Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten soll reformiert werden. Konkret soll die letzte Reform des Paragrafen aus dem Jahr 2021 zurückgedreht werden und der Verbrechens- wieder zu einem Vergehens-Tatbestand herabgestuft werden. Zuerst hatte die „Bild am Sonntag“ darüber berichtet.

In der Alltagspraxis hatte die Verschärfung Probleme gemacht. Zuletzt hatten sich unter anderem die Beispiele von Lehrern und Eltern gehäuft, die etwa in Klassenchats auf Fälle von Kinderpornografie aufmerksam geworden und die Schulleitungen, Behörden oder andere Eltern darauf hinweisen wollten. Zu diesem Zweck wurde oft entsprechendes Material an die Behörden weiter gegeben. Allein mit dem Besitz und der Weiterleitung einer entsprechenden Datei hatten sich jedoch plötzlich auch Personen, die helfen wollten, des Verbrechens schuldig gemacht. Vor allem aus der Praxis, von Richtern und Anwälten, war daher die Forderung gekommen, die Strafverschärfung des Paragrafen 184b des Strafgesetzbuchs zurück zu nehmen.

„Gute Tat des Aufklärens wird zum Bumerang

Die Ampel-Koalition hatte daher angekündigt, den Paragrafen zu reformieren. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bekommt für seinen Gesetzentwurf, die Wiedereinführung des Vergehens-Tatbestandes, Unterstützung aus den Ländern. „Wir wollen Kinderschänder verfolgen, nicht Eltern, die andere Eltern vor Kinderpornografie warnen“, sagte Bayerns Landesjustizminister Georg Eisenreich (CSU) der „Bild am Sonntag“. „Auch ihnen droht wegen des drastisch verschärften Strafrechts eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen Besitzes oder Verbreitens von Kinderpornografie. Die vermeintlich gute Tat des Aufklärens wird so zum Bumerang.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), hatte angekündigt, die Strafverschärfung wieder zurückzunehmen.

© dpa/Jörg Carstensen

Auch aus der Praxis wird die Reform begrüßt. „Es ist richtig und überfällig, die Heraufstufung zum Verbrechen rückgängig zu machen, weil nur das für Fälle am unteren Rand der Strafwürdigkeit wieder eine differenzierte tat- und schuldangemessene Reaktion der Justiz ermöglicht“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, ebenfalls gegenüber „Bild am Sonntag“. Schriftliche Strafbefehle oder Einstellungen von Verfahren gegen Auflagen seien seit der Strafverschärfung 2021 nicht mehr möglich, so Rebehn. „Die Justiz muss deshalb eine Vielzahl von Fällen verfolgen, die eigentlich nicht vor die Strafgerichte gehören.“

Immer öfter wird KI für Kinderpornografie verwendet

Wie eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte, solle ein entsprechender Gesetzentwurf bald vom Kabinett beschlossen werden. Kritik an der Rücknahme der Reform kommt unter anderem von der Deutschen Kinderhilfe. Deren Ehrenvorsitzender, Rainer Becker, sagte: „Was der Bundesjustizminister vorhat, ist ein echter Hammer. Seine Sicht ist extrem täterfreundlich – das erfüllt mich mit großer Sorge.“

Mittlerweile wird Künstliche Intelligenz (KI) einem Medienbericht zufolge zunehmend zur Erstellung von Kinder- und Jugendpornografie und deren Verbreitung über Social-Media-Plattformen missbraucht. Während einige Abbildungen komplett künstlich seien, basierten andere auch auf echten Kinderbildern oder sogar echtem Missbrauch, hatte der SWR am Montag berichtet.

Die meisten Abbildungen von KI-generiertem Kindesmissbrauch habe die britische Nichtregierungsorganisation Internet Watch Foundation bisher zwar im Dark Web gefunden. Doch immer mehr derartige Inhalte würden auch im leicht zugänglichen Teil des Internets landen, so Dan Sexton von der Organisation. „Das ist nichts, was vielleicht in der Zukunft passieren könnte, sondern etwas, das bereits jetzt passiert.“

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