zum Hauptinhalt
Marco Buschmann (FDP) Justizminister

© IMAGO/Funke Foto Services

Mögliche Verschärfung: Deutschland blockiert EU-Richtlinie zu Sexualstrafrecht

Justizminister Marco Buschmann (FDP) will einer EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen vor Gewalt nicht zustimmen. Er hat rechtliche Bedenken. 

Deutschland will einer EU-Richtlinie zum Sexualstrafrecht nicht zustimmen. Die Bundesregierung fordert, einen Paragrafen zu streichen, der das Strafrecht im Fall von Vergewaltigungen in einigen Mitgliedstaaten verschärfen würde. Das geht aus einer Stellungnahme des Bundesjustizministeriums hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach haben sich Bundesfamilienministerium und Bundesjustizministerium auf die Forderung geeinigt.

Die Botschaft, die von der EU-Gewaltschutzrichtlinie ausgehen sollte, war klar: Vergewaltigung sollte in der gesamten Europäischen Union strafbar werden – nicht erst, wenn Gewalt ausgeübt wird, sondern auch, wenn der Akt gegen den Willen der Frau geschieht. Europa solle ein Ort sein, in der „Gewalt gegen Frauen verhindert, verurteilt und verfolgt wird, wenn sie geschieht“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) im vergangenen Sommer.

Im ersten Entwurf der Kommission hieß es, Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Geschlechtsverkehr als unfreiwillige Handlung verstanden werde, wenn er ohne das freiwillige Einverständnis der Frau vollzogen werde. Dies könnte als „Ja heißt Ja“-Grundsatz ausgelegt werden, bei dem die Frau ihr Einverständnis mündlich geben müsste.

Diese Formulierung hätte nach Einschätzung von Experten möglicherweise eine Strafrechtsverschärfung in Deutschland nach sich ziehen können. Seit 2016 gilt in Deutschland der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Täter können also auch bestraft werden, wenn sie keine explizite physische Gewalt anwenden, aber die andere Person zuvor ausgedrückt hat, dass sie keinen Geschlechtsverkehr möchte.

„Erhebliche Zweifel“ an Rechtsgrundlage

Die Bundesregierung habe „massive Zweifel daran, dass der Richtlinienvorschlag in seiner gegenwärtigen Fassung mit dem Europarecht vereinbar ist“, erklärte eine Sprecherin. Es gebe „erhebliche Zweifel hinsichtlich der Rechtsgrundlage“, die dem Vergewaltigungstatbestand zugrunde gelegt worden sei.

Doch auch unabhängig von dieser Frage bewerte die Bundesregierung das Vorhaben kritisch. Bisher falle das Strafrecht in die Kernkompetenz der Mitgliedstaaten. Einheitliche Regelungen seien nur legitim, wenn es um grenzüberschreitende Kriminalität wie Terrorismus oder Kinderpornografie gehe. „Vergewaltigungen weisen diesen besonderen grenzüberschreitenden Charakter nicht auf und werden auch nicht mit dem Tatmittel Internet begangen“, hieß es weiter.

Deutscher Juristinnenbund appelliert an Justiz- und Familienministerium

Dies dürfte ein Grund sein, warum Deutschland – neben Frankreich und weiteren Staaten – auch einem Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft nach Tagesspiegel-Informationen nicht zugestimmt hat. Aus dem Bundesfamilienministerium hieß es, es sei zwar wünschenswert, den Tatbestand der Vergewaltigung in die EU-Richtlinie aufzunehmen. Man teile aber die verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die EU-Abgeordnete Terry Reintke (Grüne) nannte die Haltung von Justizminister Marco Buschmann (FDP) „das völlig falsche Signal“. „Deutschland sollte diese Blockade aufgeben und einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt ermöglichen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der Deutsche Juristinnen-Bund hat dem Familienministerium sowie dem Justizministerium nach Tagesspiegel-Informationen einen Brief geschrieben, mit der Bitte, die Position noch mal zu überdenken.

Sollten Frankreich und Deutschland bei ihrer Position bleiben, kann die EU-Gewaltschutzrichtlinie vorerst nicht beschlossen werden. Auch weitere Staaten sind gegen die Aufnahme der Vergewaltigung in die Richtlinie. Das Europäische Parlament beharrt aber darauf. Bislang sind die Regelungen für die Strafbarkeit von Vergewaltigung in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich. In Spanien und Schweden gilt der Grundsatz „Ja heißt Ja“. In Polen zum Beispiel braucht es mindestens eine Gewaltandrohung, damit eine Vergewaltigung strafbar ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false