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Siegessicher: Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew.

© REUTERS

Parlamentswahlen in Baku: Streit im Europarat über Wahl in Aserbaidschan

Beobachter des Europarats loben die Wahlen in Aserbaidschan als "Schritt nach vorn" – doch zwei deutsche Abgeordnete widersprechen: "Die Wahl ist eine Farce."

In einem Wahllokal in Aserbaidschan bot sich dem deutschen Abgeordneten Frank Schwabe ein ungewöhnliches Bild: Knapp unter der Decke hing eine Kamera, direkt auf die Wahlkabinen gerichtet. Der SPD-Politiker beobachtete die Abstimmung für die Parlamentarische Versammlung des Europarats. Überwachungskameras gab es gleich in mehreren Schulen, die als Wahllokale genutzt wurden. Auf Nachfrage hieß es, die Kameras seien abgeschaltet. Erkennbar war das für die Wähler offensichtlich nicht.

Die Parlamentswahlen in dem autoritär regierten Land gewann die Partei „Neues Aserbaidschan“ von Präsident Ilham Alijew. Oppositionsparteien hatten die Wahl boykottiert. Zahlreiche Regierungskritiker, Journalisten und Menschenrechtler sind in Aserbaidschan im Gefängnis. Hinter Gittern sitzt auch der Wahlbeobachter Anar Mammadli, der systematische Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentenwahl 2013 dokumentiert hatte. Korruption ist in Aserbaidschan weitverbreitet, in zentralen Wirtschaftszweigen verdient die Alijew-Familie mit. Nach außen hin versucht sich das Regime als weltoffen und modern darzustellen.

Über den Bericht der Wahlbeobachter des Europarats dürfte sich das Alijew-Regime am Montag gefreut haben: Trotz Unzulänglichkeiten zeigten die gestiegene Wahlbeteiligung und die „Transparenz“ im Ablauf von Abstimmung und Stimmauszählung, dass Aserbaidschan „einen weiteren Schritt nach vorn hin zu freien, fairen und demokratischen Wahlen gemacht hat“. Die Mission kommt zu dem Schluss, dass „die Ergebnisse dieser Abstimmung den Willen des aserbaidschanischen Volkes zum Ausdruck bringen“.

Doch nicht alle 28 Wahlbeobachter wollten diese Erklärung mittragen. Nach einer zweieinhalbstündigen Diskussion stimmten 16 für den Bericht, sieben dagegen. „Wir waren nicht bereit, Fortschritte zu konstatieren, wo es eigentlich Rückschritte gab“, sagte Schwabe dem Tagesspiegel. Gemeinsam mit seiner SPD-Kollegin Ute Finck-Krämer und dem irischen Labour-Abgeordneten Michael Mc Namara veröffentlichte er eine abweichende Position. Sie könnten die Wahlen nicht als Schritt zu freien, fairen und demokratischen Wahlen bezeichnen, heißt es darin. „(..) die Lage im Land mit Hinblick auf politische Freiheiten, Meinungs- und Medienfreiheit und Versammlungsfreiheit schafft nicht die Bedingungen für freie und demokratische Wahlen“.

Mit ihrem Statement wollten die drei Parlamentarier verhindern, dass allein die Anwesenheit der Beobachter einem „klar undemokratischen Wahlprozess“ Legitimität verleihe. Die Wahlen seien eine „Farce“ gewesen, betonen die beiden SPD-Politiker. Die dritte deutsche Beobachterin, die CDU-Abgeordnete Karin Strenz, schloss sich der Kritik nicht an.

OSZE hatte Beobachtermission absagen müssen

Schon die Entscheidung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, eine Mission nach Aserbaidschan zu entsenden, war umstritten. Denn die Führung in Baku wollte vor den Wahlen nur wenige Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ins Land lassen. Die zuständige OSZE-Behörde entschied deshalb, dass eine „effektive und glaubwürdige Wahlbeobachtung“ unter diesen Umständen nicht möglich sei, und sagte die Mission ab. Die OSZE setzt stets darauf, die ersten Beobachter schon lange vor der Abstimmung zu entsenden, um einen besseren Einblick zu erhalten. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats allein sei ohne eine solche Langzeitmission gar nicht in der Lage zu unabhängiger Wahlbeobachtung, argumentieren die beiden SPD-Politiker. Tatsächlich lassen sich am Wahltag geschickt verborgene Verstöße von Außenstehenden oft kaum erkennen.

Aserbaidschan hat in den vergangenen Jahren im Europarat massiv Lobbyarbeit gemacht und sogar die Annahme eines Berichts zu politischen Gefangenen im Land verhindert. Beobachter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hatten bereits die Präsidentenwahl 2013 als "fair, frei und transparent" gelobt.

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