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Mehrere hundert Anhänger des neuen Bündnisses "Direkte Demokratie für Europa" der ehemaligen Pegida-Organisatorin Kathrin Oertel demonstrierten am Sonntag erstmalig auf dem Neumarkt in Dresden.

© Matthias Schumann/epd

Pegida und AfD: Die Brache zwischen Union und NPD wird besiedelt

Nur rund 500 Demonstranten kamen am Sonntag zur Kundgebung des Pegida-Ablegers von Kathrin Oertel. Die Bewegung zerbröselt, doch der Rechtspopulismus wird bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Es kam, wie es bei Protestbewegungen häufig kommt: Nach einem rasanten Aufschwung lässt die Dynamik nach, die berauschten, aber überforderten Anführer machen Fehler, sie zerstreiten sich, das „Volk“ wendet sich ab. So erledigt sich Pegida und steht damit in einer Tradition des Scheiterns wutbürgerlicher Phänomene wie der Massenempörung gegen Hartz IV und der längst vergessenen Komitees für Gerechtigkeit. Dennoch zeichnet sich auf paradoxe Weise ein Erfolg für Pegida ab. Die islamfeindlichen Marschierer haben ihren Anteil daran, dass Rechtspopulismus in Deutschland als politische Größe wahrgenommen wird. Pegida auf der Straße und die AfD in den ostdeutschen Landtagen zeigen, wie sich die Brache zwischen Union und NPD bevölkern lässt. Ein beachtliches Novum und eine Zäsur.

Die AfD nahm der NPD die Wähler, Pegida nahm der NPD die Straße

Die Erfolgsformel lautet: Rechtspopulismus schlägt Rechtsextremismus. Mögen beide auch inhaltlich nah beieinander sein, ist doch zu erkennen, dass Pegida und AfD die NPD in den Schatten gestellt haben. Und das in Ostdeutschland, wo die neobraune Partei bei Wahlen Ergebnisse erreichte, die im Westen kaum vorstellbar erscheinen. Doch dann hat die AfD im vergangenen August dazu beigetragen, der NPD den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag zu verwehren. Und im Winter hat Pegida der NPD die Straße genommen. Ein doppeltes, strategisches Debakel für die Rechtsextremen.

Die NPD ist nicht mehr in der Lage, wenigstens das Niemandsland zur Union unbewohnbar zu halten. Damit hatte die Partei der Demokratie auf makabere Weise einen Dienst erwiesen. Lange galt: Wer sich in das Terrain rechts von CDU und CSU wagte, geriet in Gefahr, der NPD-Ideologie nahe zu kommen und als Paria zu enden. So erging es den „Republikanern“, die als Abspaltung der CSU begannen, in die Parlamente von (West-)Berlin und Baden-Württemberg gewählt wurden und doch im Sog des Extremismus untergingen. Der Versuch, eine anschlussfähige rechtspopulistische Kraft zu werden, war gescheitert. Heute sind die Reps kaum noch existent.

Die Brache zwischen NPD und CSU wird besiedelt - auf Dauer

Nun ist der von der NPD ausgehende Bannfluch offenkundig gebrochen, mag Pegida auch vergehen. Der Rechtspopulismus etabliert sich in Gestalt der AfD. Und sie profitiert vermutlich davon, dass Pegida scheitert. Die AfD bietet den enttäuschten Anhängern eine neue Heimat. Außerdem schwächt sich für die Partei das Risiko ab, die Liaison mit einer unkontrollierbaren Bewegung könnte dem Ruf der AfD schaden.

Wird Deutschland nun „normal“ wie all die Nachbarländer, in denen rechtspopulistische Parteien in den Parlamenten sitzen? Derzeit sieht es so aus, selbst wenn die AfD bei der Wahl in Hamburg die fünf Prozent nicht schaffen sollte. Dass sich Rechtspopulismus in Deutschland etabliert und Rechtsextremismus verliert, ist dennoch keine gute Nachricht. Rechtspopulisten, die teilweise ähnlich rassistische Ansichten propagieren wie Extremisten, aber auf deren Nazi-Nostalgie verzichten und deshalb als „bürgerlich“ durchgehen, können das gesellschaftliche Klima viel stärker vergiften als ein Außenseiter wie die NPD.

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