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Piraterie: Freie Beute

Die Zahl der Piratenangriffe vor Somalia steigt beinahe täglich. Wer profitiert von den Übergriffen? Derweil will die Bundesregierung mit der Fregatte "Karlsruhe" am Horn von Afrika für Recht und Ordnung sorgen.

Das Geschäft lohnt sich jedenfalls: Nach Angaben des britischen Think Tank Chatam House lagen die Lösegelder für gekaperte Schiffe in diesem Jahr zwischen 500 000 und zwei Millionen Dollar. Die Forderungen für den gekaperten Öltanker dürften jedoch weit über diesen Summen liegen. Gezahlt wird das Lösegeld „physisch“. Im Chatam-House-Bericht ist die Rede davon, dass das Geld direkt an Bord gebracht wird.

Wer profitiert außer den Piraten?

Chatam House ist überzeugt, dass die international anerkannte somalische Übergangsregierung (TFG), oder zumindest der Übergangspräsident Abdullahi Yusuf, auch von den Piratenangriffen profitiert. Denn Yusuf war zuvor Präsident der halbautonomen Republik Puntland. Und von dort gehen seit diesem Jahr die meisten Piratenangriffe aus. Allerdings glaubt der Autor einer Studie über die Piraterie vor Somalia, Roger Middleton, dass darüber hinaus auch andere Konfliktparteien, beispielsweise die militanten islamistischen Al-Schabbab-Milizen, von den Piraten mitfinanziert werden könnten.

Der Generalsekretär der ostafrikanischen Regionalorganisation Igad, Mahboub M. Maalim, sagte dem Tagesspiegel, Igad lägen auch Hinweise vor, dass Geschäftsleute in Saudi-Arabien und womöglich Dubai in die Geschäfte der Piraten verwickelt sein könnten. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Operationen der Piraten in Puntland eine Größe erreicht haben, die eine Zusammenarbeit zwischen teilweise auch rivalisierenden somalischen Clans notwendig macht.

Wie sieht die politische Situation in Somalia aus?

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Piraterie eine direkte Folge des langen Machtvakuums in Somalia ist. 1968 übernahm der Diktator Siad Barre die Regierungsgewalt in Somalia, 1991 wurde er abgesetzt. Seither gibt es in dem Land keine Zentralregierung mehr. Die Übergangsregierung unter Abdullahi Yusuf ist der 15. von außen initiierte Versuch einer Friedenslösung. Da sie 2006 ein halbes Jahr lang von einer islamistischen Allianz, den islamischen Gerichtshöfen, entmachtet worden war, marschierte zu Weihnachten 2006 die äthiopische Armee in Somalia ein, um die Übergangsregierung zu stützen. Doch die Islamisten haben inzwischen einen Gutteil des unwegsamen Südsomalia wieder unter ihre Kontrolle gebracht, darunter die Hafenstadt Kismayo.

Hunderttausende Zivilisten sind vor den heftigen Kämpfen aus Mogadischu geflohen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind im Zuge dieser Gefechte mehr als 9000 Menschen in den vergangenen zwölf Monaten ums Leben gekommen. Rund eine Million Somalier gelten als im eigenen Land Vertriebene. Einziger Hoffnungsschimmer sind die von den Vereinten Nationen vermittelten Friedensgespräche zwischen der Übergangsregierung und dem moderaten Flügel der Islamisten. Ziel dieser in der Nachbarrepublik Dschibuti geführten Verhandlungen ist die Bildung einer Einheitsregierung, um 2009 Wahlen abzuhalten.Verschärft wird die trostlose Lage noch von einer schweren Hungersnot am Horn von Afrika – der schlimmsten seit 20 Jahren.

Was könnte die deutsche Marine im Kampf gegen die Piraten beitragen?

Dass sich Deutschland an der Piratenabwehr beteiligen will, ist klar. Immerhin sind auch deutsche Schiffe gefährdet. In der EU-Truppenstellerkonferenz am Wochenanfang hat die Bundesregierung die Fregatte „Karlsruhe“ als deutschen Beitrag angezeigt. Das Kabinett wird voraussichtlich Anfang Dezember das Mandat beschließen, das der Bundestag billigen muss. Endgültig formuliert werden kann es erst, wenn die EU ihre Einsatzregeln festgelegt hat.

Das größere Hindernis auf deutscher Seite sind freilich Probleme mit dem Grundgesetz. Eines dieser Probleme ergibt sich aus der strikten Trennung zwischen Polizei und Militär, ein anderes aus den rechtsstaatlich gebotenen Fristen. Beide kommen in dem Moment ins Spiel, in dem die Bundeswehr Piraten nicht nur vertreibt – was der Bordhubschrauber der „Karlsruhe“ Anfang der Woche in zwei Fällen durch sein schlichtes Auftauchen schon geschafft hat –, sondern aufgreift. Einerseits dürfen Soldaten keinen Straftäter festnehmen – das muss ein Polizeibeamter tun. Andererseits muss nach deutschem Recht ein Verdächtiger binnen 24 Stunden einem Haftrichter vorgeführt werden. Drittens schließlich sind deutsche Gerichte nur für Straftaten zuständig, wenn entweder Täter oder Opfer Deutsche sind.

Ein rechtsstaatlich sauberer, wenn auch umständlicher Weg zeichnet sich inzwischen ab: Hat die „Karlsruhe“ Piraten aufgebracht, wird ein Bundespolizeibeamter eingeflogen, der die Festnahme vollzieht. Sind Deutsche als Opfer im Spiel – als Besatzung auf einem von Piraten bedrohten Schiff oder als Schiffseigner –, müsste ein Haftrichter aus der Ferne entscheiden und später ein deutsches Gericht das Verfahren führen. Andernfalls bleibt wohl nur der unbefriedigende Weg, die Verdächtigen auf dem Umweg über afrikanische Nachbarstaaten an die somalische Justiz zu überstellen.

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