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Politische Farbenspiele: Die Ypsilanti-Falle

Damit Rot-Rot gelingen kann, wünschen sich Lafontaine und Gysi Unruhen in der SPD.

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Berlin - „Wer ist Matschie?“ Gregor Gysi stellt die Frage sehr süffisant. Natürlich kennt der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei den thüringischen SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden. Aber das heißt noch lange nicht, dass Gysi mit einem künftigen thüringischen Ministerpräsidenten Christoph Matschie rechnet. Im Gegenteil: Die aktuellen Hoffnungen der Sozialisten richten sich auf ein Szenario, bei dem der SPD-Spitzenkandidat nach der Wahl am 30. August von den eigenen Parteifreunden einfach weggeputscht wird. „Unruhen“ werde es in der Thüringen-SPD geben, sollte Matschies SPD meinen, „zur CDU rennen zu müssen“, sagt Gysi am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz voraus. Was aus Sicht des Linkspolitikers auch folgerichtig wäre. „Inhaltslos“ wäre eine Strategie der SPD, bei der die Chance zur Ablösung des amtierenden Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) verspielt wird.

Die Ausgangslage für die Thüringen-Wahl ist spannend, aber nicht einfach. Nach Umfragen wird Rot-Rot-Grün eine rechnerische Mehrheit haben. Die Linke aber wird die SPD wohl überflügeln – Matschie aber sieht sich an das Versprechen seiner Partei gebunden, auf keinen Fall den Linkspartei-Bewerber Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen. Klar wird nach Tagesspiegel-Informationen nun, was die Linke meint, wenn sie Andeutungen zu den Sondierungsgesprächen nach dem Wahltag macht: Matschie selbst könne nicht springen, heißt es. Die Hoffnung ist, dass der SPD-Spitzenmann ins Aus befördert werde, oder aber von der SPD nach der Bundestagswahl auf einen neuen Posten in Berlin gebracht, Staatssekretär im Forschungsministerium war er dort schon mal.

Der weitreichendste in den Reihen der Linken diskutierte Kompromiss besagt, auf Ramelow als Kandidaten für das Amt des Regierungschefs zu verzichten, um die rot-rot-grüne „Gestaltungsmehrheit“ nicht aufs Spiel zu setzen. Vorschlagen könnte die Linke einen parteilosen Bewerber, Namen werden bisher nicht genannt. Auch in diesem Fall wäre SPD- Mann Matschie aus dem Rennen. Er sei gefangen in der „Ypsilanti-Falle“, sagt Gysi in Anspielung auf den im vergangenen Jahr gescheiterten Versuch der Hessen-SPD, ein Linksbündnis zu schmieden. Die Möglichkeit, dass die Linke als stärkste Partei in einer Koalition auf ihr Vorschlagsrecht verzichtet, schließt der Chef der Bundestagsfraktion aus: Eine seit 1949 geltende Regel dürfe nicht außer Kraft gesetzt werden.

Einfacher könnte ein rot-rotes Bündnis im Saarland werden, und damit erstmals in einem West-Bundesland: Denn dort wird die SPD laut Umfragen besser abschneiden als die Linke, für die Linken-Parteichef Oskar Lafontaine selbst antritt. Lafontaine sieht „weitgehende Übereinstimmungen“. „Es ist nicht zu erkennen, dass mein bevorzugter Gegner im Saarland die SPD ist“, sagt der Linkspartei-Vorsitzende. Im Gegenteil: Er wirke dort mit, „Brücken zu bauen“. Als Signal für ein mögliches Linksbündnis nach der Bundestagswahl will er das nicht gedeutet wissen, dort gebe es zwischen der Linken und der SPD „einen tiefen Graben“ in den entscheidenden Fragen – Bewahrung des Sozialstaats und Kriegseinsätze. Und: „Wir machen ja kein Kasperletheater.“ Gysi spricht unter Hinweis auf die Konzepte von Union, SPD, FDP und Grünen von „Konsenssoße“.

Mit Blick auf die schlechten Umfragewerte der SPD bedauert Lafontaine, dass die Partei ihre „Selbstzerstörung“ nicht durch einen programmatischen Kurswechsel beende. Gysi dagegen fände es gar nicht schlecht, wenn die SPD am 27. September ein schlechtes Ergebnis einfährt: „Die SPD muss eins auf die Mütze kriegen, damit sie sich verändert.“

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