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Polizeiaffäre Sachsen-Anhalt: Engagierte Beamte unter Druck

Gegen drei ehemalige Staatsschützer sollen nun doch Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann wird deshalb kritisiert.

Von Frank Jansen

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) sieht sich in der Polizeiaffäre erneut herber Kritik ausgesetzt. Hövelmann hatte am Donnerstag in einem Interview mitgeteilt, gegen drei ehemalige Staatsschützer der Polizeidirektion Dessau seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Beamten hatten mit ihrem Widerstand gegen das Drängen eines Vorgesetzten, die Bekämpfung rechtsextremer Kriminalität zu bremsen, die Polizeiaffäre ausgelöst, mit der sich seit September 2007 ein Untersuchungsausschuss des Landtags befasst. Sie sei „schockiert“, dass trotz anderslautender Äußerungen des Ministers vor dem Ausschuss nun doch den drei ehemaligen Staatsschützern ein Disziplinarverfahren zugemutet werde, sagte die Obfrau der Linksfraktion im Ausschuss, Gudrun Tiedge, am Freitag dem Tagesspiegel. Die Disziplinarverfahren seien „ein Affront gegen den Ausschuss“. Hövelmann müsse jetzt wieder als Zeuge geladen werden.

Auch FDP-Obmann Guido Kosmehl reagierte empört. „Der Ausschuss wurde getäuscht“, sagte Kosmehl. Nicht nur Hövelmann, sondern auch Innenstaatssekretär Rüdiger Erben und der Leiter der Polizeiabteilung im Ministerium, Klaus-Dieter Liebau, müssten sich nun noch mal den Fragen der Abgeordneten stellen. Kosmehl will, wie Tiedge, außerdem prüfen, ob Hövelmann selbst gegen Dienstrecht verstoßen hat, als er den polizeiinternen Vorgang der Disziplinarverfahren öffentlich verkündete. CDU-Obmann Holger Stahlknecht äußerte sogar „den bösen Verdacht, dass die Disziplinarverfahren gezielt zur Abstrafung der drei Polizeibeamten eingeleitet worden sind“.

Anfang Mai hatte Staatssekretär Erben als Zeuge gesagt, es werde kein Verfahren eingeleitet, solange die Beamten im Ausschuss „noch Gegenstand der Erörterung sind“. Erben betonte sogar, das Ministerium wolle die Arbeit des Ausschusses nicht mit einem Disziplinarverfahren gegen die Beamten belasten. Minister Hövelmann bekräftigte zwei Wochen später in seiner Aussage, es gebe aktuell keine disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen die Polizisten.

Das Ministerium gab sich am Freitag wortkarg. Die Polizeidirektionen Ost und Süd hätten die Verfahren gegen die Beamten bereits im Juli eingeleitet, sagte der Sprecher des Ministeriums, Martin Krems. Auf die Frage, was den Polizisten vorgehalten werde, antwortete Krems, es gehe um Vorgänge, „die im Ausschuss oder im Umfeld bekannt geworden sind“.

Etwas klarer äußerte sich der SPD-Obmann im Ausschuss, Bernward Rothe. In den Disziplinarverfahren sei zu untersuchen, „inwieweit die drei Beamten bei der Herausgabe von Informationen an die Öffentlichkeit gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit verstoßen haben“. Rothe erwähnte ein brisantes Gedächtnisprotokoll vom Februar 2007, von dessen Inhalt der Tagesspiegel drei Monate später erfuhr – allerdings aus dem Umfeld des Landtags. In dem Papier hatten die als engagiert geltenden Staatsschützer geschildert, wie sie der damalige Vizechef der Direktion Dessau aufforderte, langsamer gegen rechte Kriminalität zu ermitteln.

Am Montag tritt der Ausschuss nach der Sommerpause wieder zusammen.

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