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Zählen hat man hier schon gelernt. Vor dem Rathaus Spandau.

© imago images/Joko

Großstädtische Zukunftspolitik: Posten, Privilegien und Probleme

Die Berliner Bezirksämter brauchen Fachkompetenz in den Führungsstrukturen. Ein Gastbeitrag.

Franziska Eichstädt-Bohlig ist Stadtplanerin und Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen mit langjähriger politischer Erfahrung in Berlin und im Bundestag.

Berlin steht unter einer starken Entwicklungsdynamik und großem Handlungsdruck: Die Einwohnerzahlen steigen ebenso wie die bauliche Verdichtung. Wirtschaftskraft und die Attraktivität als Hauptstadt nehmen zu. Der Klimawandel fordert eine andere Stadtentwicklung. Neue Schulen und Kitas werden gebraucht und vieles mehr. Die Aufgaben sind riesengroß und betreffen alle Verwaltungen in Senat und Bezirken.

Die aktuellen Diskussionsbeiträge zum Reformbedarf der Berliner Verwaltungen stellen überwiegend die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken ins Zentrum. Berlin braucht aber auch in den Bezirksverwaltungen dringend weitergehende Reformen. Eine Digitalisierung, die nicht mit zukunftsfähigen Organisationsstrukturen der Verwaltung auf Senats- und Bezirksebene verbunden wird, ist nicht viel wert.

Mit dem „Zukunftspakt Verwaltung“ hat Berlin in der letzten Legislatur einen wichtigen Reformschritt gemacht. Für die Bezirke ist endlich eine weitgehend vereinheitlichte Verwaltungsstruktur eingeführt worden und die bisherigen fünf Geschäftsbereiche der Bezirksämter sind auf sechs erweitert worden. Der neue Koalitionsvertrag verspricht Mittel für deutliche Personalverstärkung und bessere Bezahlung in wichtigen Bereichen wie Schulbildung, Stadtplanung, Bauaufsicht und Verkehr und kündigt verbesserte Ausstattungs- und Arbeitsplatzbedingungen an. Besonderes Gewicht soll endlich auf die Einführung von klaren Zuständigkeiten und Organisationsabläufen und auf effizientere Digitalisierungsverfahren gelegt werden.

Mit dem neuen Koalitionsvertrag will der künftige Senat Verwaltungsdefizite aber auch wieder bevorzugt durch Zentralisierung lösen, insbesondere durch die Konzentration von Steuerungs- und Koordinationsaufgaben in der Senatskanzlei. Angesichts der Fülle und Komplexität der Aufgaben können damit aber nur einzelne Projekte besser organisiert werden.

Wenn Berlin inhaltlich den Anschluss an Städte mit vorbildlicher Zukunftspolitik wie Paris oder Kopenhagen gewinnen will, brauchen wir bessere Verwaltungsstrukturen. Es wäre darum wichtig, einen Verfassungskonvent einzuberufen, der auch einen Reformschwerpunkt auf die Qualifizierung der Bezirksverwaltungen legt.

Die Neuordnung der Bezirksamtsgliederung ist ein guter Anfang, der aber auch auf die besondere Schwäche der Bezirksverwaltungen hinweist: Den Bezirksämtern fehlt eine fachkompetente Führungsebene. Denn die Stadträte, die die Bezirksämter leiten sollen, sind überwiegend Laien, die aus der Parteiarbeit kommen. Sie haben meist viel parlamentarische Erfahrung, sind aber oft ohne Verwaltungskenntnisse und ohne Fach- und Rechtswissen in den von ihnen übernommenen Gebieten.

In vielen Ressorts sind mangels Gesamtführung auch die Amtsleiter*innen eigenständige (und gerne eigenwillige) Herrscher über ihr Arbeitsfeld, was manchmal gut, oft aber auch Zielkonflikte und Zeitverluste verursacht und das berlintypische Ping-Pong von Zuständigkeit und Nichtzuständigkeit begünstigt. Formal werden in Berlin nur sehr pauschale Anforderungen an die Facherfahrung und Führungsfähigkeit der Bezirksstadträte gestellt, obwohl sie für Stadtgebiete verantwortlich sind, die Großstädten entsprechen.

Nachweis durch Bewerbung

Das Bezirksamtsmitgliedergesetz fordert bescheiden: „Zum Mitglied eines Bezirksamtes darf nur gewählt werden, wer die erforderliche Sachkunde und allgemeine Berufserfahrung vorweist und das 27. Lebensjahr vollendet hat.“ Die Ratsverfassungen der Länder stellen demgegenüber konkretere Anforderungen an die kommunalen Dezernent*innen oder Beigeordneten und machen oft auch Bewerbungsverfahren zur Bedingung.

Nun sollen die Berliner Bezirke nicht den Status einer Kommune haben. Aber was spricht dagegen, dass von den Bezirksamtsmitgliedern vergleichbare Qualifikationen verlangt werden wie von den Beigeordneten nach der brandenburgischen Kommunalverfassung? Die Aufgabenfülle und die Größe der Bezirke sprechen jedenfalls sehr dafür, die Fach- und Qualitätsanforderungen an Bezirksamtsmitglieder und das Bewerbungs- und Auswahlverfahren präziser zu formulieren.

Dabei sollten anders als nach verschiedenen Kommunalverfassungen in Berlin auch die Bezirksbürgermeiste*rinnen die für ihr Amt erforderliche Fachqualifikation haben. Dies zum einen, weil Berlins Bezirke keine selbständigen Kommunen sind, zum anderen, weil sie für den Bezirkshaushalt, die Finanzen und die Personalverwaltung zuständig sind.

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Gegen verbindliche Qualitätsvorgaben für die Führungsebene der Bezirksämter spricht ausschließlich die Macht der Gewohnheit und das Interesse aller Berliner Parteien, verdiente Parteimitglieder mit gut dotierten Stadtratsposten zu belohnen. Manchmal machen einzelne Parteien freiwillig ein fachspezifisches Bewerbungs- und Auswahlverfahren für eine ihnen zustehende Stadtratsposition. Aber das ist die Ausnahme.

Dabei könnten solch konkrete Anforderungen auch positive Effekte für die fachlichen Qualitäten der Parteiarbeit mit sich bringen. Sie böten ein Gegenmodell zu der Tendenz, nach der Ausbildung ohne Berufserfahrungen auf eine Parteikarriere zu setzen. Leider ist davon auszugehen, dass sich keine Partei für diese Forderung erwärmen wird: Es wäre die Preisgabe von parteipolitischen Privilegien.

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