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Politik: Prinzip Hoffnung

Ganz Frankreich brennt? Nein, nicht ganz Frankreich. Das Beispiel des Straßburger Vorortes Lingolsheim

Berlin - Jugendkrawalle sind für Yves Bur, den Bürgermeister von Lingolsheim, nichts Neues. Seine Gemeinde mit 17000 Einwohnern liegt im Einzugsbereich von Straßburg; sie ist damit auch regelmäßig von den alljährlichen Ausschreitungen rund um die elsässische Stadt betroffen. In den vergangenen Jahren setzten Jugendliche dort immer wieder Autos in Brand. Für den Bürgermeister, der gleichzeitig Vizepräsident der französischen Nationalversammlung ist, haben die derzeitigen Krawalle dennoch eine neue Qualität. „Die Gewalt hat eine neue Stufe erreicht“, sagte Bur am Montag dem Tagesspiegel.

Auch in Lingolsheim gibt es Wohnsilos mit insgesamt 600 Wohnungen, in deren Umgebung es in der Vergangenheit Krawalle gab. Es seien schon einmal zwei oder drei Molotow-Cocktails in einem Versteck unter einer Treppe entdeckt worden, erzählt Bur – kaum der Rede wert im Vergleich zu der Brandflaschen-Werkstatt, die jetzt in Evry im Département Essonne ans Licht kam. Seit die Krawalle Ende Oktober im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois begannen, ist es in Lingolsheim ruhig geblieben – „dank unserer Sozialarbeit“, sagt Bur. „Ich will mich da nicht rühmen“, meint der Bürgermeister. Denn wer weiß schon, wie die nächsten Nächte in Lingolsheim verlaufen? Am Montag traf sich Bur mit dem Leiter der „Agence Nationale de Rénovation urbaine“, die den Umbau französischer Einwanderer-Ghettos zum Ziel hat. Die Lingolsheimer Türme, deren Unterhaltung für die Kommune immer teurer wird, sollen abgerissen werden. Stattdessen soll ein aufgelockertes Wohngebiet entstehen. „Das ist zwar keine Antwort auf die gegenwärtige Notlage. Aber es gibt keine andere Lösung“, meint Bur.

Unterdessen warnte die Bundesregierung in Berlin mit Blick auf die Krawalle in Frankreich vor voreiligen Rückschlüssen auf Deutschland. Die Situation sei nicht vergleichbar, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Er warnte vor Einschätzungen einiger „Hobby-Soziologen“, die meinten, ähnliche Krawalle stünden nun auch in Deutschland bevor. „Wir sollten alle zurückhaltend sein mit voreiligen Schlussfolgerungen und Dramatisierungen.“ Mit Blick auf fünf am Montag in Berlin angezündete Autos wollte Steg keine Mutmaßungen anstellen, ob es sich bei den Tätern um Nachahmer handelt. Auch für die künftige Regierung werde es ein wichtiges Thema sein, die Integration nach Kräften voranzutreiben, vor allem was das Beherrschen der deutschen Sprache betreffe. (mit dpa)

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