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Programm gegen Partei: Maut, Hotelsteuerrabatt, Hartz IV machen die Parteien kaputt

Manchmal wollen die politischen Parteien Dinge, die nicht gut für sie sind. Die Maut ist dafür nur ein Beispiel. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Man sieht es ihnen nicht gleich an, wie gefährlich sie sind, das ist das Gefährliche an ihnen. Wer denkt an eine Bombe bei einem Paket, auf dem „Agenda 2010“ zu lesen steht? Wer ahnt die Sprengkraft einer Mehrwertsteuersenkung für Beherbergungsbetriebe? Wem schwant zur rechten Zeit der Schrecken der Gesundheitsprämie? Früher befragten die Herrscher Astrologen, bevor sie zu Abenteuern auszogen, heute lassen sie sich von Demoskopen weissagen. Und trotzdem bringen sich Parteien mit schöner Regelmäßigkeit beinahe selber um.

Es wird also Zeit für eine wissenschaftliche Betrachtung. Eine Typologie des politischen Selbstmordattentats sollte imstande sein, brisante Ladungen frühzeitig zu erkennen. Und tatsächlich fördert das Studium der einschlägigen Beispiele rasch ein paar Gemeinsamkeiten zutage.

Erstens: Was kostet, wird teuer. Den Wählern zu versprechen, dass man an ihr Geld will, hat noch nie so richtig funktioniert. Trotzdem versuchen es Parteien immer neu. Sie hoffen auf das Wunder-Gegenmittel, den guten Zweck. „Fünf Mark für den Liter Benzin“ sollten die Umwelt retten, zwei Mehrwertsteuerpunkte die Staatskasse, die Gesundheitsprämie die Krankenversicherung. Die Folgen sind bekannt. Trotzdem fiel dem Nächsten die Steuererhöhung für alles Gute und Wahre ein. Die Trümmer bei den Grünen rauchen noch.

Der Hotelsteuerrabatt schien sich perfekt ins FDP-Programm zu fügen

Zweitens: Was nicht zum eigenen Profil passt, entfaltet doppelt Sprengkraft. Diese Sorte Zündsatz ist schwerer zu erkennen, weil den Beteiligten das eigene Profil oft gar nicht klar ist. Klassischer Fall: die Agenda 2010. Gegen „Hartz IV“ demonstrierten nicht etwa jene kernigen Arbeiter, die nach der SPD-Folklore die eigene Klientel darstellten, sondern die sozialdemokratische Variante des Wutbürgers. Der mühsam situierte Facharbeiter bekam Angst, auf einer Stufe mit dem Sozialhilfeempfänger zu landen. Sozialer Abstieg war aber das genaue Gegenteil von dem, was ihm das Parteibuch versprach.

Drittens: Was nur allzu gut zum eigenen Profil passt, ist oft erst recht brisant. Der Hotelsteuerrabatt schien sich perfekt ins FDP-Programm zu fügen: Steuersenkung plus Ankurbelung der Wirtschaft – was wollte des Freien Demokraten Herzen mehr! Zur Paketbombe wurde das Geschenkpaket schon, als jemand ein neues Etikett draufklebte: „Mövenpick-Steuer“.

Als tödlich erwies sich der Hotelsteuerrabatt aber erst später. Denn, fünftens, nichts sprengt Parteien so zuverlässig in die Luft wie krasse Diskrepanz zwischen Versprechen und Liefern. Entscheidend ist dabei nicht die mathematische Differenz, sondern die psychologische. Dass die FDP keine Riesensteuerreform durchsetzen konnte, hätten ihre Wähler ihr vielleicht verziehen. Dass sie bloß den Hotelrabatt zustande kriegte, war schlimmer als nichts.

Gar nicht schwer also, Polit- Bomben früh zu erkennen. Aber sie hören ja nicht. Sie packen weiter Päckchen. Sie schreiben „Maut“ darauf. Sie bekommen vielleicht mit Ach und Krach eine Schnur drum. Nur an das fünfte Gebot der Diskrepanz, daran denken sie nicht. Bloß so eine kleine Maut zustande kriegen – am Ende kann das schlimmer sein als nichts.

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