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Proteste in Großbritannien: "Britische Jobs für britische Arbeiter"

Wilde Streiks bringen Premierminister Gordon Brown in Bedrängnis.

Über eine Woche demonstrierten Arbeiter vor einer Ölraffinerie in Lincolnshire gegen einen Bautrupp italienischer und portugiesischer Arbeiter. Auf ihren Plakaten stand „britische Jobs für britische Arbeiter“. Doch diese Proteste waren erst der Anfang. Am Freitag wurde in Kraftwerken und Ölraffinerien im ganzen Land gestreikt. 4000 Arbeiter in 19 Werken schlossen sich den Warnstreiks an. Am kommenden Montag sollen die Proteste noch ausgeweitet werden. Auch die Frühschicht im Atomkraftwerk Sellafield stimmt über Streiks ab.

Die Gewerkschaften hielten sich zunächst heraus; Streikaufrufe wurde per Internet und SMS verbreitet. „Das Zeitalter der Unruhen beginnt“, titelte die „Times“. Raffineriestreiks treffen die Wirtschaft ins Herz. Im September 2000 hatten Lkw-Fahrer mit Raffinerieblockaden eine Rücknahme von Benzinpreiserhöhungen erzwungen.

Auslöser der Proteste sind über 100 Arbeiter einer italienischen Firma. Bis zum Ausbruch der Streiks wurden sie morgens von dem Hotelschiff, auf dem sie wohnen, mit Bussen in die Raffinerie gebracht, die sie im Auftrag des Betreibers Total erweitern. Die Gewerkschaft „Unite“ rief nun zum Massenprotest auf und versprach, alles zu tun, „um diese unmoralische, möglicherweise illegale und politisch gefährliche Praxis zu beenden“.

Ausgerechnet Premier Gordon Brown lieferte den Arbeitern ihre Parole, als er 2007 in einem Anflug von populistischem Opportunismus „britische Jobs für britische Arbeiter“ versprach. In den folgenden zwölf Monaten stieg die Zahl billiger Arbeitsplätze für Immigranten aus Osteuropa um 175 000, während die Arbeitslosigkeit britischer Arbeiter um 45 000 zunahm. Allein im Januar gingen im Zuge der Wirtschaftskrise über 200 000 Jobs verloren. Brown erfuhr von den wilden Streiks, als er beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor Protektionismus und dem Errichten von Handelsbarrieren warnte. Wirtschaftsminister Lord Mandelson attackierte US-Präsident Barack Obamas Pläne für eine Kampagne, die zum Kauf amerikanischer Produkte ermuntern soll. „Wir haben in der EU einen einheitlichen Markt geschaffen, um Wachstum zu haben, nicht um uns gegenseitig zu bekämpfen“, sagte er.

So bedeuten die Streiks ein Dilemma für den Premier. Ein Vermittlungsausschuss soll nun prüfen, ob das Bauvorhaben gegen Gesetze verstößt. Aber Brown stand an der Spitze der Forderung nach offenen Märkten in der EU. Als einziges großes Wirtschaftsland gewährte Großbritannien Arbeitern aus Osteuropa freien Zugang zu seinen Arbeitsmärkten. Doch das war in den guten Zeiten. Nun prognostiziert der Internationale Währungsfonds Großbritannien die schwerste Rezession aller Industrienationen mit einem Wachstumsverlust von 2,8 Prozent. In Meinungsumfragen ist Brown wieder weit abgeschlagen.

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