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Politik: Rauch in der Hütte

Die große Koalition steht nach der Pleite mit dem bundesweiten Nichtraucherschutz unter Druck – und hofft nun auf die Länder

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Berlin - Nach dem Offenbarungseid beim bundeseinheitliches Nichtraucherschutz ist Rauch in der großkoalitionären Hütte. Die Vorwürfe an die zuständige Arbeitsgruppe von SPD und Union bewegen sich zwischen den Stichworten „Dilettantismus“, der milderen Form der Kritik, und „Einknicken vor der Tabaklobby“, der schwergewichtigeren Variante.

So findet Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, die Regierung habe entschieden, vor den Lobbys der Zigarettenindustrie und dem Hotel- und Gaststättenverband in die Knie zu gehen. „Die Regierung soll aufhören, vor den Lobbys zu kriechen“, sagte Kuhn dem Tagesspiegel. Solche Worte aber vernebeln nach Ansicht der Tabakindustrie die Tatsachen. Richard Gretler, Vorstandschef des Tabakkonzerns Reemtsma, nennt diese Vorwürfe „absolut abwegig“. „Uns wird ja manches unterstellt, aber die Verfassung und die Förderalismusreform haben wir nun wirklich nicht geschrieben“, sagte Gretler dem Tagesspiegel. Tatsache aber ist, dass das, was etwa in Italien, Spanien, Portugal, England, Schottland, Irland, Schweden, Finnland, Norwegen, Belgien, Lettland, Estland und selbst in Malta längst gesetzlich geregelt ist, in Deutschland bislang nicht erreicht wurde: eine rauchfreie Gastronomie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am kommenden Mittwoch bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin eindringlich an die Länder appellieren, das nun selbst in die Hand zu nehmen, und zwar in verbindlich-einheitlicher Weise. Denn wenn ein bundesweiter Nichtraucherschutz in Gaststätten scheitern sollte, wird das dem Image der Kanzlerin, die selbst vor fast anderthalb Jahrzehnten dem Nikotin abschwor, wie kalter Rauch anhaften.

Doch die Chancen stehen bislang nicht besonders gut: Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, und vom Saarland, Peter Müller, haben schon angekündigt, dass sie sich da nicht bevormunden lassen wollen. Der Staat solle sich nicht überall dort einmischen, „wo Menschen ihre Freiheit eigenverantwortlich nutzen müssen“, sagte Wulff der dpa. Und Müller sagte der „Bild“-Zeitung, im privaten Bereich solle sich der Staat heraushalten: „Ob in Restaurants oder Bars geraucht werden darf, sollen Besitzer und Kunden entscheiden.“ Da wird es dann offenbar doch wieder Alleingänge geben – etwa in Berlin, wo die Linkspartei-Senatorin Katrin Lompscher das bereits angekündigt hat, und auch in Bayern, wo Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) den blauen Dunst aus den Gaststätten, allerdings nicht aus den Bierzelten, verbannen will.

Dass nun die verfassungsrechtliche Hürde vor einem bundesweiten Nichtraucherschutz steht, lässt vermuten, dass auch ein interfraktioneller Gruppenantrag von 144 Bundestagsabgeordneten, der dem Hohen Haus seit 25. September vorliegt, in der Pfeife geraucht werden kann. Zwar haben dessen Initiatoren wie die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Martina Bunge (Linke) oder der SPD-Abgeordnete Lothar Binding noch immer Hoffnungen, damit irgendwann die Mehrheit von mindestens 281 Stimmen zu erreichen. Doch die Aussichten stehen nicht gut. Zumal die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, eine Art juristisches Beratungsgremium der Abgeordneten, schon Anfang September zu der Meinung gelangten, nach der Föderalismusreform „erscheint eine Bundeskompetenz für den Nichtraucherschutz zweifelhaft“. Das Gaststättenrecht ist ohnehin Ländersache. Ausschließliche Bundeskompetenz sehen die Fachleute nur für ein Rauchverbot an Arbeitsplätzen in Innenräumen für Bundesbeamte, Soldaten der Bundeswehr und Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes.

Auch wenn sich der Gesetzgeber schwertut mit dem Nichtraucherschutz – die Mehrheit der Deutschen ist offenbar dafür. 55 Prozent von 1015 Befragten hätten in einer Umfrage des Instituts polis/usama für ein gesetzliches Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Restaurants plädiert, schreibt der „Focus“.

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