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Reaktionen: Regierung sieht sich zum Teil bestätigt

Die Bundesregierung sieht ihr Konzept der Sicherungsverwahrung vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Teil bestätigt. Oppositionsvertreter dagegen werteten die Karlsruher Entscheidung als Niederlage für Schwarz-Gelb.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte in Berlin, die Richter hätten die "grundlegende Weichenstellung der zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neukonzeption" der Sicherungsverwahrung nicht infrage gestellt. Die Voraussetzungen, unter denen ein Straftäter in Sicherungsverwahrung genommen werden kann, seien nicht beanstandet worden.

Allerdings räumte die Ministerin ein, dass die praktizierte Sicherungsverwahrung nicht die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs erfülle. Sie müsse nun stärker therapiebezogen gestaltet werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte alle gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und insbesondere eine deutlichere Abgrenzung von der Strafhaft verlangt. Bund und Länder seien nun gefordert, dem sogenannten "Abstandsgebot" zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung besser Rechnung zu tragen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Grüne sprechen von "Scherbenhaufen"

Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Damit werde "endlich Klarheit geschaffen", sagte er in Hannover. Er betonte, dass sein Land weiterhin an der Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung arbeite.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte eine Überarbeitung des Gesetzes zur Sicherungsverwahrung und die Schaffung separater Einrichtungen für Betroffene. Das Urteil sei "klug, weil es die Sicherheitsbedürfnisse der Gesellschaft durchaus angemessen berücksichtigt, gleichzeitig aber deutlich macht, dass es keine Straftat ist, gefährlich zu sein", sagte Wiefelspütz der "Mitteldeutschen Zeitung".

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jerzy Montag, sagte, die Bundesregierung stehe nach dem Urteil vor einem "rechtspolitischen Scherbenhaufen". "Der Vollzug der Sicherungsverwahrung muss radikal verändert werden", sagte Montag. Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, begrüßte das Urteil. Es stelle klar, "was wir Grüne schon immer fordern".

Halina Wawzyniak, stellvertretende Vorsitzende der Linken, nannte das Urteil "eine vernichtende Niederlage für die Regierungskoalition, die noch im vergangenen Jahr eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung durchgepeitscht hatte". Sie forderte, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, um zu einer Neuausgestaltung zu gelangen.

Die beiden großen Polizeigewerkschaften DPolG und GdP bedauerten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Aufgrund der Entscheidung könne es zu weiteren Freilassungen kommen, die die Polizei vor enorme Probleme stellten, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Hermann Benker. In letzter Konsequenz seien mit dem Urteil die Freiheitsrechte der Betroffenen über die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gestellt worden. Es gehe hier immerhin um "extrem gefährliche Straftäter" und "nicht um Eierdiebe".

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte ebenfalls, in Kürze sei "eine große Anzahl freigelassener gefährlicher Gewalttäter" zu erwarten, die dann von der Polizei überwacht werden müssten. GdP-Chef Bernhard Witthaut sagte, das Urteil sei nicht überraschend. Die Rechtspolitiker hätten "alle rechtswissenschaftlichen Hinweise" auf die Verfassungswidrigkeit der Sicherungsverwahrung "in den Wind geschlagen". (dapd)

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