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Rechtsextremismus: „Es gibt keinen Anlass, darüber zu reden“

Ein grölender Mob lyncht beinahe eine Gruppe Inder. Die grausame Hetzjagd brachte das sächsische Idyll Mügeln im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Doch dort will man jetzt am liebsten vergessen.

Mügeln - Wo früher „Picobello“ stand, ragen nun nur noch Stromkabel aus der Wand. Imbissbesitzer Amarjit Singh hat das Schild entfernt. Er will keine neuen Bilder von seinem Laden im sächsischen Ort Mügeln, wo vor einem Jahr ein grölender Mob von 50 Menschen ihn und sieben andere Inder fast gelyncht hätte. Reden will Singh auch nicht mehr. „Ich sage nichts“, wiederholt er mehrmals. Er möchte nur weiter in Mügeln Pizza und Döner verkaufen. Im vergangenen Dezember, vor Gericht, hatte der Einwanderer aus Indien noch bekannt: „Wir haben Todesangst gehabt.“ Auch Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) will nicht mehr sprechen über die Augustnacht, die Mügeln vor einem Jahr in die Schlagzeilen brachte. „Der Blick muss in die Zukunft gehen.“ Die Zukunft, das ist das nächste Altstadtfest, das an diesem Freitag beginnt.

Der 60-jährige Deuse ist seit 1990 Bürgermeister der zwischen Leipzig und Dresden gelegenen Kleinstadt. Von seinem Amtszimmer aus kann er auf den kleinen Marktplatz blicken, wo in der Nacht zum 19. August 2007 in einem Festzelt betrunkene Jugendliche die indischen Festbesucher angriffen. Die Inder retteten sich verletzt in den Imbiss. Draußen rüttelten die Verfolger an den Türen und brüllten rassistische Parolen. Ein junger Mann warf ein Eisengitter in die Fensterscheibe. Zwei Polizisten konnten knapp verhindern, dass noch mehr Blut floss. Erst als Verstärkung kam, beruhigte sich die Lage.

Das Amtsgericht Oschatz sprach später vom „Vorfeld eines Pogroms“ und verurteilte einen der Rädelsführer zu acht Monaten Gefängnis. Das Landgericht Leipzig wandelte die Strafe für den 23-Jährigen in eine Bewährungsstrafe um. Eine weitere Bewährungsstrafe und zwei Geldstrafen wurden verhängt.

Bernhard Weber hat sich das Altstadtfest in seiner heutigen Form ausgedacht. Seit 17 Jahren arbeitet er für die Kulturabteilung der Stadt. Aber erst durch die Fernsehbilder von den verängstigten und zusammengeschlagenen Männern sei er wach geworden, sagt er. „Danach habe ich gemerkt, wie viele braune Gedanken sich hier durch alle Kreise ziehen. Es ist erschreckend.“ Immer wieder liefen Diskussionen darauf hinaus, dass Ausländer den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, sagt Weber. „Dabei gibt’s hier kaum Ausländer, und die wenigen sind alle selbstständig.“ Deuse sagt: „Es gibt keinen Anlass, darüber noch zu reden.“ Das ganze Jahr über habe man keine Probleme „mit Ausländern und anderen Leuten“ gehabt. Wichtig sei nun das neue Fest, „wo jeder kommen kann, egal von welcher Rasse oder wo er herkommt“. Den Vorwurf, er ignoriere das Thema, weist Deuse zurück. Im Grußwort zum Fest gehe er auf den Vorfall ein, sagt er und deutet auf einen Satz in dem langen Redemanuskript: „Deshalb lasst uns friedlich, freundlich mit allen feiern, die uns besuchen.“

Andreas Rabenstein (dpa)

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