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© pa/dpa

Rechtsextremismus: Mit Neonazis unter einem Zeltdach

In Sachsen-Anhalt ist ein Polizei-Spezialist für IT-Sicherheit bei einem Treffen von Neonazis aufgefallen. Das dürfte die schon schwelenden Polizeiaffären im Lande um einen weiteren Fall ergänzen.

Von Frank Jansen

Das Wetter war miserabel, die Neonazis kamen dennoch. Pfingstsamstag 2005 versammelte sich eine Horde Rechtsextremisten am Bergwitzsee, einem der größten Gewässer Sachsen-Anhalts nahe Wittenberg. Die Polizei beobachtete schon vom Nachmittag an das Treiben in den zwei offenen Partyzelten. Als am späteren Abend, unter anderem aus den Boxen in offen stehenden Autotüren, volksverhetzende Musik von Bands wie "Macht & Ehre" schallte, griffen die Beamten ein. Sie trafen knapp 30 meist alkoholisierte Personen an, darunter Mitglieder der als gewaltbereit geltenden Gruppierung "Freie Nationalisten Dessau". Mindestens neun Neonazis waren aus einer Vielzahl von Verfahren wegen Körperverletzung, Volksverhetzung, Landfriedensbruch und anderen szenetypischen Delikten bekannt. Bei einem Mann indes stutzten die Polizisten: Es war ein Kollege. Und nicht irgendeiner. Der Beamte entpuppte sich als einer der führenden Spezialisten für die Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik der Polizei in Sachsen-Anhalt.

So wird der Sachverhalt in polizeiinternen Unterlagen dargestellt, wie der Tagesspiegel aus zuverlässigen Quellen erfuhr. In den Akten heißt es demnach, dass der Polizeioberkommissar, Dezernent für IT-Security-Management im Technischen Polizeiamt Sachsen-Anhalt, am Abend des 14. Mai 2005 angetroffen wurde - und zunächst angab, die beiden Partyzelte organisiert zu haben. Außerdem soll er gesagt haben, er treffe sich schon seit zehn Jahren mit seinen Freunden am See und die Polizei habe noch nie einen Grund gesehen, einschreiten zu müssen. Als ihn die Beamten darauf ansprachen, die anwesenden Personen seien teilweise dem harten Kern der rechten Szene zuzuordnen, soll der Polizist geäußert haben, die Partyzelte seien von ihm "nur so" aufgebaut worden, weil sich dort am See meist viele Leute träfen.

Der Verdacht, ein Beamter, der an einer hochsensiblen Schaltstelle der Polizei von Sachsen-Anhalt sitzt, sei Mitveranstalter eines Neonazi-Treffens gewesen, dürfte die schon schwelenden Polizeiaffären im Lande um einen weiteren Fall ergänzen. Die Geschichte sei "ungeheuerlich", sagt Wulf Gallert, Chef der Linksfraktion im Magdeburger Landtag. Er kündigt an: "Das wird ein Thema im Untersuchungsausschuss." Die Linksfraktion hatte Anfang Juli beschlossen, nach der Sommerpause einen Untersuchungsausschuss zu installieren, der sich mit der Dessauer Polizeiaffäre befasst. Es geht um mutmaßlich mehrfaches Fehlverhalten von Beamten aus dem Bereich der Polizeidirektion Dessau bei der Bekämpfung rechter Kriminalität. Mit dem neuen Fall gerät nun auch das Technische Polizeiamt des Landes unter Druck.

Und was wusste das Innenministerium? Ein Sprecher der Behörde sagt, im November 2005 sei eine Sicherheitsüberprüfung des im Mai am See kontrollierten Beamten eingeleitet worden - und noch im Gange. Der Polizist bleibe mit seiner Arbeit betraut, strafrechtlich liege nichts vor. Wegen des Abspielens volksverhetzender Musik am See wurde ein Neonazi verantwortlich gemacht, er musste 400 Euro Strafe zahlen. Und nach Erkenntnissen des Ministeriums habe der Polizist seine "beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nicht verletzt", sagt der Sprecher. Der Polizist war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, sein Chef reagiert heftig. "Alles Tatarengerüchte", erregt sich Hans-Joachim Bogner, Leiter des Technischen Polizeiamts, als er mit Fragen zum Fall konfrontiert wird. "Das ist ein untadeliger Beamter", disziplinarische Vorermittlungen hätten ihn vom Verdacht einer Verbindung zu Neonazis "befreit". Bogner dementiert, dass der Beamte sogar zum Polizeihauptkommissar befördert worden sein soll, "das war er schon vorher". Wieso die Beamten ihn im Mai 2005 nach Vorlage seines Dienstausweises nur als Polizeioberkommissar notierten, bleibt offen.

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