zum Hauptinhalt
Im Vorwort einer rechtsextremen Zeitschrift dankt der Herausgeber, ein Landtagsabgeordneter, der NSU. Jetzt wird gegen ihn ermittelt.

© Apabiz/tsp

Ermittlungen im NSU-Fall: Verdacht gegen NPD-Abgeordneten

Ein Neonazi aus dem Mecklenburger Landtag soll schon 2002 in einem Szeneblatt die Taten der Terrorgruppe aus Thüringen gelobt haben.

Von Frank Jansen

Berlin - Im Fall der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ gerät der NPD-Abgeordnete David Petereit aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern in Verdacht, von den Gewaltverbrechen früh gewusst und sie begrüßt zu haben. Das Indiz findet sich in dem früheren Szeneblatt „Der Weisse Wolf“, das unter Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg kursierte. Im Vorwort der Ausgabe 1/2002, Nummer 18 steht die Parole „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter . . .“ Der Spruch ist mit dunklen Linien hervorgehoben.

In der Ausgabe wird als Bestelladresse ein Postfach in Neustrelitz (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) genannt. Die Nummer ist identisch mit derjenigen in einer weiteren Ausgabe von „Der Weisse Wolf“, in der Petereit als Blattmacher genannt wird. Auch das Postfach von Petereits Onlineversand „Levensboom.de“ ist dasselbe wie in der Ausgabe 1/2002 von „Der Weisse Wolf“. Der Neonazi sitzt seit 2011 für die NPD im Landtag.

Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt beziehen den Fall in die NSU-Ermittlungen ein. „Wir prüfen den Sachverhalt in Abstimmung mit der Bundesanwaltschaft“, erklärte das BKA am Mittwoch. Die Bundesanwaltschaft bestätigte: „Wir gehen dem nach.“

Der brisante Fund ist ein Resultat der Recherchen des Vereins Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (Apabiz), der sich seit fast 30 Jahren mit der rechtsextremen Szene auseinandersetzt. Dem Apabiz liegt nach eigenen Angaben ein Exemplar der Ausgabe 1/2002 von „Der Weisse Wolf“ vor. Der Verein hält es für unwahrscheinlich, dass mit den Worten „Vielen Dank an den NSU“ eine andere Gruppierung als die Thüringer Terrorzelle gemeint war. Bis zum November vergangenen Jahres, als die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im thüringischen Eisenach erschossen aufgefunden wurden und Beate Zschäpe die Wohnung der Zelle in Zwickau anzündete, sei keine rechtsextreme Gruppierung namens NSU bekannt gewesen, sagte am Mittwoch ein Mitglied des Vereins. Auch Sicherheitskreise betonten, sie hätten bis November 2011 keine rechtsextreme Gruppierung oder Rockgruppe mit dem Namen oder Namenskürzel „NSU“ gekannt.

Bei Erscheinen der nicht genauer datierten Ausgabe 1/2002 hatte die Thüringer Terrorgruppe bereits vier Morde an türkischen Kleinunternehmern verübt. Auf das Konto der Neonazis gingen bis Ende 2001 auch ein Sprengstoffanschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in Köln, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde, sowie vier Banküberfälle.

Petereit war nicht bereit, auf Fragen zur NSU-Parole in „Der Weisse Wolf“ zu antworten. In einer Mail beteuerte Petereit, der Textabschnitt sei ihm „weder bekannt noch erinnerlich“. Er habe das Blatt als presserechtlich Verantwortlicher erst ab Nummer 20 betreut. Sie erschien 2005.

Sicherheitsexperten beschreiben den Neonazi als extrem fanatisch. Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern hat Petereit mehrmals in Jahresberichten erwähnt. In der Broschüre zu 2010 befasste sich der Nachrichtendienst mit Petereit anlässlich einer Serie von 44 gewaltsamen, mutmaßlich rechtsextremen Attacken auf Büros demokratischer Parteien. Beachtenswert sei, „dass die meisten Angriffe nach dem Beitrag ,Demokraten gibt es auch in Deiner Stadt’ vom 18. April 2010 auf der von dem NPD-Funktionär David Petereit verantworteten neonazistischen Internetseite MUPINFO erfolgten“, schrieb der Verfassungsschutz. Auf der Website sei „verklausuliert zu Sachbeschädigungen an Büros demokratischer Parteien aufgerufen worden“. Wegen anderer Vorwürfe hat zudem der Landtag die Immunität Petereits aufgehoben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false