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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Ihre Entscheidungen kann man jetzt auch online nachlesen.

© Uwe Anspach/dpa

Rechtsprechung online: Vom Geschäft mit den Gesetzen

Jetzt gibt es ein Online-Portal mit Gerichtsentscheidungen. Die Veröffentlichung von Gesetzen ist Aufgabe der Justiz. Das Portal wird aber von einem Unternehmen betrieben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2016. Dies sind die Abenteuer des Rechtsstaats Bundesrepublik, der mit seiner 81 Millionen Mann starken Besatzung 67 Jahre unterwegs ist, um Gesetzesgalaxien zu erforschen, neue Paragrafen und Verordnungen zu erlassen. Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Bundesrepublik in Galaxien vor, die kein Mensch zuvor gesehen hat.

Solche Worte aus dem Enterprise-Kosmos wären angemessen gewesen, als Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kürzlich eine neue Entdeckung präsentierte: mehr als 30 000 Entscheidungen der höchsten Gerichte in einer einzigen Datenbank. Mehr als 10 000 vom Bundesgerichtshof, auch das Bundesverfassungsgericht ist mit 2000 dabei. Das Ganze heißt "Rechtsprechung im Internet" und soll künftig über die sieben Bundesgerichte hinausgehen. In Deutschland gibt es rund 1100 Gerichte.

Warum erst jetzt?

„Mit dem neuen Portal bieten wir allen Bürgerinnen und Bürgern eine bequeme und kostenlose Möglichkeit, aktuelle und grundlegende Gerichtsentscheidungen über ein zentrales Portal zu recherchieren“, heißt es in einer Erklärung. Der Justizminister ist begeistert. Man möchte die Euphorie gerne teilen, nur drängt sich die Frage auf: Warum erst jetzt?

Die Juris GmbH verdient daran

Das Internet wuchs und straffte sich in den 1990er Jahren, die digitale Revolution ist, ja was – in vollem Gange? Größtenteils abgeschlossen? Seit Jahren kann man im Netz nahezu alles recherchieren, vieles kostenlos. Ausgerechnet Recht und Gesetze wurden davon viel zu lange ausgenommen. Immerhin, die rund 2000 Bundesgesetze stehen mittlerweile im Netz – betrieben vom Justizministerium in Kooperation mit einer Firma, der Juris GmbH aus Saarbrücken. Sie unterhält auch das neue Portal und war einst ein Behördenschößling. Heute ist das Unternehmen eine blühende Pflanze der Privatwirtschaft mit mehr als 40 Umsatzmillionen jährlich. Knapp die Hälfte gehört einer französischen Verlagsgruppe, die Anteilsmehrheit hält der Bund.

Kapitalismus darf nicht dazu führen, dass Bürgern ihr Recht vorenthalten wird

Gesetze als Geschäft. Es spricht nichts dagegen, dass der Bund sich privater Zuarbeit bedient, um sein Recht öffentlich zu machen. Aber das Produkt, um das es geht, gehört allen. Die tolle Möglichkeit, von der Maas schwärmt, ist in Wahrheit eine vernachlässigte Bringschuld des Staates. Statt ein nettes Geschäft aufzuziehen und ihm beim gedeihlichen Wachstum zuzusehen, wäre es erste Pflicht in der digitalen Revolution gewesen, unters Volk zu bringen, was in seinem Namen beschlossen und entschieden wird. Früher mag dies wegen der Kosten gedruckten Papiers zu teuer gewesen sein. Das Internet hat den Vertrieb von Rechtsinformationen unter neue Vorzeichen gestellt. Nun mögen dringend die Urteile aus den Ländern folgen. Kapitalismus ist schön, aber nicht, wenn er den Bürgern ihr Recht vorenthält.

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