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Deutsches Recht: Erben muss nicht teuer sein.

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Reform der Erbschaftsteuer: Unverdiente Einkommen

Die Koalition hat sich bei der Reform der Erbschaftsteuer in Details verheddert. Nötig wäre aber eine gründliche Umstellung - und gerechtfertigt wäre sie auch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Die nobelste Aufgabe von Politik ist es, die Gesellschaft in einer Balance zu halten. Also für Ausgleich zu sorgen. Das kann man mehr oder weniger intensiv betreiben, zwischen „laissez faire“ und Gleichmacherei ist ja viel Spielraum. Kluge Politik bedeutet, sich von beiden Extremen fernzuhalten. Seit Jahren macht sich nun das Gefühl breit, dass die recht ausgewogene Balance, welche zumindest in den westlichen Gesellschaften die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet hat, verloren gehe. Dass der Ausgleich zunehmend brüchig wird. Dass Besitzende immer wohlhabender werden – in Berlin derzeit etwa durch massive Wertsteigerungen bei Immobilien. Dass sich in der Mitte der Gesellschaft Aufstieg und Abstieg schärfer gegeneinander abzeichnen, was auch an den jeweiligen Vorbedingungen liegt – wer Vermögen mitbringt, hat es einfacher als der, welcher allein auf seine Leistungsfähigkeit angewiesen ist. Dass die ärmeren Schichten immer mehr abgehängt werden, dass Aufstieg in die Mitte nicht mehr so selbstverständlich ist.

In dieser gesellschaftlichen Großwetterlage streitet die Koalition seit Monaten um die Erbschaftsteuer für Unternehmensnachfolger, eine Gruppe der Gesellschaft also, die als begünstigt gelten darf. Es mag in vielen Fällen ein verdientes Glück sein, wenn Erben sich schon früh ins Unternehmen eingebracht haben und fähig sind. Es ist in manchen Fällen aber auch nur unverdienter Dusel. Möglicherweise finden die Koalitionsspitzen in dieser Woche noch einen Kompromiss. Es wird aber kein gelungenes Ergebnis sein, sondern eine komplizierte, intransparente Fortführung des bestehenden Rechts. Deutschland hat bei der Unternehmensnachfolge ein merkwürdiges Erbschaftsteuerrecht: Die Steuersätze sind sehr hoch, dafür gibt es Ausnahmen, die wiederum sehr entgegenkommend sind. Wer die Auflagen erfüllt, wird von der Steuer ganz oder weitgehend verschont. Das soll die Erben zur Weiterführung des Unternehmens animieren. Man kann das für logisch halten, ganz einleuchtend ist es nicht. Ein System mit geringen Steuersätzen, die auch gezahlt werden müssen, erscheint logischer.

Karlsruher Urteil hätte Signal sein können

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende 2014 hätte ein Signal für eine Reform hin zu mehr Logik sein können. Die aber hat die Koalition versäumt, weil die Union eine solche Reform nicht wollte. Der politische Streit geht aktuell nur noch um Details, im wesentlichen spielt CSU-Chef Horst Seehofer auf Zeit, um bei anderen Themen (Flüchtlingskosten, Bund-Länder-Finanzen) Verhandlungsmasse zu haben. In zwei, drei Wochen dürfte es damit vorbei sein. Die Unternehmerlobby hat massiv dafür gearbeitet, dass das Ergebnis sehr unternehmerfreundlich ausgefallen ist. Die deutschen Familienunternehmen werden weiterhin im Glück sein.

In Reichtum hineingeboren zu werden, ist aber keine Leistung. Erbschaften sind unverdiente Einkommen. Die meisten Erben und Beschenkten werden dennoch auch künftig nicht zahlen müssen. Gerade angesichts der wackligen Balance unserer Gesellschaft wäre aber die Besteuerung ihres Startvorteils, des Zufalls der Geburt, ein Gebot des sozialen Ausgleichs – und keine Zumutung. Es geht dabei nicht um krude Umverteilung, sondern darum, die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitseinkommen, die schon in der Mitte sehr hoch und damit leistungsfeindlich ist, zu mindern. Daher wäre die Politik gut beraten, bald eine echte Reform der Erbschaftsteuer anzugehen, die Erben moderat, aber zuverlässig mit einer Steuer belegt. So wie man es in einer Leistungsgesellschaft erwarten kann.

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