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Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel: Regierung setzt Amazon & Co. unter Druck

Auf Online-Marktplätzen sind viele Umsatzsteuerbetrüger unterwegs. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will das illegale Treiben beenden. Dabei spielt auch Neukölln eine Rolle.

Der Onlinehandel wächst, der Steuerbetrug wächst mit.
Der Onlinehandel wächst, der Steuerbetrug wächst mit.

© Arno Burgi/dpa

Der Schaden ist beträchtlich: Mal ist von einer dreistelligen Millionensumme die Rede, mal schaukeln ich die Schätzungen auf mehr als eine Milliarde hoch. Die Tätergruppe ist groß, viele agieren von Asien aus, die meisten sitzen nach inoffiziellen Zählungen in China. Umsatzsteuerbetrug auf großen Online-Handelsplattformen wie Amazon oder Ebay und auch vielen kleineren ist seit Jahren ein Problem. Nach einem Anlauf von gut einem Jahr will nun das Bundeskabinett an diesem Mittwoch einen Gesetzentwurf beschließen, der den Online-Betreibern Pflichten auferlegt und den Betrug stoppen soll. „Mit dem Gesetzentwurf sorgen wir für Steuergerechtigkeit“, sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). „Wir beenden die illegale Praxis mancher Händler auf elektronischen Marktplätzen, die Umsatzsteuer hinterziehen und sich dadurch unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen.“

Nach dem Gesetzentwurf von Scholz werden alle Betreiber elektronischer Marktplätze verpflichtet, sich von den Verkäufern bestimmte Daten geben zu lassen, darunter vollständige Anschriften und Steuernummern, dazu aber auch Zeitpunkt und Höhe von Umsätzen. Zudem werden die Betreiber solcher Marktplätze in die Haftung genommen, wenn die Steuerbehörden ermitteln, dass Umsatzsteuer nicht entrichtet wurde. Aus dieser Haftung können sich Betreiber nur befreien, wenn sie die Aufzeichnungspflichten erfüllen und steuerunehrliche Händler von ihrem Marktplatz ausschließen. Mit dieser Haftungspflicht soll erreicht werden, dass nur noch Händler bei Amazon, Ebay und anderen Plattformen agieren, die eine deutsche Steuernummer haben. „Künftig werden die Betreiber elektronischer Marktplätze verantwortlich sein, wenn beim Handel über ihre Plattform die Umsatzsteuer nicht entrichtet wird“, sagt Scholz. „Damit schützen wir alle steuerehrlichen Unternehmen und sorgen auch für einen fairen Wettbewerb zwischen Verkäufern aus dem In- und Ausland.“ Zudem nimmt der Staat mehr Geld ein.

Vorzeitige Wirkung

Die neuen Regeln sollen vom 1. Januar 2019 an gelten, wirken aber offenkundig schon jetzt. Denn allein die Ankündigung in der Finanzministerkonferenz im vorigen Herbst, das Gesetz voranzutreiben, hat sowohl bei den Online-Betreibern als auch bei vielen Händlern mit Sitz außerhalb der EU zu Reaktionen geführt. Die Zahl derer, die sich auf Veranlassung von Amazon & Co. oder von sich aus nun um eine deutsche Steuernummer bemühen und damit ihre Steuerpflicht begründen, ist seit Beginn des Jahres deutlich gestiegen. Diese Anfragen fließen allesamt in Berlin ein. Denn zuständig, für alle Umsatzsteuerfälle aus China, und zwar bundesweit, ist das Finanzamt Neukölln. „Bereits jetzt sorgt das Finanzamt Neukölln bundesweit durch Androhung von Beschlagnahmung von Lagern und Kontenschließungen dafür, dass die Anmeldungen der chinesischen Online-Händler rasant steigen", sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) dem Tagesspiegel.

Waren es bis vor einigen Monaten nur wenige chinesische Anbieter pro Woche, die nicht riskieren wollten, mit dem deutschen Fiskus Probleme zu bekommen, ist die Zahl der Anträge seit dem Frühjahr immer mehr gestiegen. Derzeit seien es schon mehr als 400 pro Woche, heißt es aus Kollatz-Ahnens Behörde. Weshalb das Personal gerade von neun auf 15 aufgestockt werden musste. Im Mai 2017, als das Gesetz im Kreis der Finanzminister erstmals diskutiert wurde, waren gerade einmal 430 chinesische Adressen mit einer Steuernummer registriert, nun sind es schon mehr als 3000. Doch ist das immer noch ein Bruchteil aller Anbieter aus dem Reich der Mitte, aus Hongkong oder Taiwan. Mindestens 20000 Händler, so wird geschätzt , seien wohl auf deutschen Marktplätzen aktiv. Umsatzsteuerpflichtig sind allerdings vorerst nur jene, die auch von einem deutschen Lager aus liefern. Doch verweist Kollatz-Ahnen auf Pläne, wonach von 2021 an EU-weit das Prinzip des Bestimmungslandes der Lieferung als Steuerort gelten solle. Vorreiter beim Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug im Netz ist übrigens Großbritannien, das früher als andere ein solches Gesetz auf den Weg brachte.

 Amazon: Wir gehen Hinweisen nach

Beim Einzelhandel kommt das Vorhaben gut an. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, fordert eine zügige Umsetzung. „Die staatlichen Stellen müssen effektiv in der Praxis sicherstellen, dass auch Online-Händler aus Nicht-EU-Ländern ihre Umsatzsteuer ordnungsgemäß bezahlen und hiesige Standards konsequent anwenden.“ Die deutsche Niederlassung von Amazon teilte mit: “Wir unterstützen jederzeit die Einhaltung steuerrechtlicher Verpflichtungen und bieten umfangreiche Informationen, Trainings und Tools, um Verkäufer bei ihren Pflichten zu unterstützen.“ Zudem sperre Amazon Verkäufer-Konten umgehend, "wenn uns eine deutsche Steuerbehörde benachrichtigt, dass ein Verkäufer sich nicht an seine steuerrechtlichen Pflichten hält". Bekomme Amazon einen Nachweis von Dritten, dass ein Verkäufer seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkomme, seien Prozesse etabliert, um das Verkäuferkonto zu überprüfen und den Verkäufer zu sperren, sollte er keine gültige Umsatzsteuernummer einreichen. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte im Juni berichtet, dass mehr als 500 verdächtige Händler aus China nach Auskunftsersuchen von Steuerermittlern von Amazon gesperrt worden seien. Vom kommenden Jahr an muss der Konzern aber stärker von sich aus aktiv werden und alle Verkäufer darauf prüfen, ob eine steuerliche Registrierung vorliegt. Tut er das nicht, läuft er Gefahr, in Haftung genommen zu werden.

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