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Politik: Regierungskrise in der Türkei: Bankrott und mit der Geduld am Ende

So direkt war die türkische Regierung bisher noch nicht mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise konfrontiert worden. "Die brauche ich jetzt nicht mehr, Herr Ministerpräsident", rief Ahmet Cakmak und knallte Regierungschef Bülent Ecevit seine Registrierkasse vor die Füße.

So direkt war die türkische Regierung bisher noch nicht mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise konfrontiert worden. "Die brauche ich jetzt nicht mehr, Herr Ministerpräsident", rief Ahmet Cakmak und knallte Regierungschef Bülent Ecevit seine Registrierkasse vor die Füße. Der bankrotte Kleinunternehmer wurde durch seine Verzweiflungstat zum Volkshelden, die Türken sind mit ihrer Geduld am Ende. Überall gehen die Menschen auf die Straße, um Lohn, Brot und den Rücktritt der Regierung zu fordern. Ein Ausweg aus der Krise ist nicht in Sicht - und der Ruf nach dem Militär wird lauter.

Cakar hatte einen Dollar-Kredit aufgenommen, um ein Lokal zu eröffnen. Weil die Lira in den letzten Wochen fast die Hälfte ihres Wertes verloren hat, haben sich seine Schulden verdoppelt - und er steht wie tausende Landsleute vor dem Ruin. Alleine in Ankara müssen täglich rund 25 Betriebe aufgeben, landesweit wurden schon Zehntausende Beschäftigte entlassen. Wenig besser geht es jenen, die ihren Arbeitsplatz noch haben. Keine 180 Mark ist der monatliche Mindestlohn eines türkischen Arbeiters heute noch wert, und die Preise steigen weiter. Weil importierte Medikamente nicht mehr zu bezahlen sind, schickten erste Krankenhäuser ihre Krebspatienten nach Hause. "Bald wird es die ersten Toten geben", sagt der Pharma-Importeur Bülent Eczacibasi.

Wochenlang haben die Türken das schweigend ertragen, doch jetzt ist Schluss. "Ecevit ins Grab", forderten wütende Händler bei einer Demonstration in Ankara. In Istanbul und Izmir marschierten die Basarhändler, in Mersin blockierten aufgebrachte Lastwagenfahrer eine Autobahn und auch in Provinzstädten wie Konya, Erzurum und Van gab es schon Protestkundgebungen: "Die Regierung muss zurücktreten", verlangen die Demonstranten. "Lasst die Soldaten ran, die Politiker haben wir satt." Nur wenige Türken vertrauen der Regierung, und selbst im Kabinett werden Zweifel laut. "Ich fürchte, es ist nichts mehr zu machen", sagte Vize-Premier Mesut Yilmaz. Und dem Weltbankexperten Kemal Dervis, der als Superminister das Land retten soll, entwischte in einem mutlosen Moment die Befürchtung, dass der Staat bald seinen Bankrott erklären muss.

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