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Die Dorfkirche Eiche.

© Ottmar Winter PNN

Rekordaustritte, Skandale, Rücktritte: Wie ist die Kirche noch zu retten?

Der verbitterte Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus ist der vorläufige Höhepunkt eines Niedergangs der Evangelischen Kirche. Wo soll das hinführen? Drei Experten antworten.

Missbrauch, Umgang mit Vertuschungsvorwürfen, Massenaustritte und eine offenkundig überforderte Kirchenführung: Wie kann die Evangelische Kirche in Deutschland gerettet werden?

In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, was zu tun ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Kirche nimmt sich selbst nicht ernst

Evangelische Kirche muss sich selbst wieder ernst nehmen! Drei Beispiele: Wenn das Kirchenparlament kurz vor der Beschlussfassung abbricht, weil ein Bahnstreik droht, dann nehmen die Synodalen sich selbst nicht ernst.

Wenn ein Kirchenapparat nicht rechtzeitig und umsichtig mit einer brisanten Information umgeht, und die Ratsvorsitzende schützt, dann nimmt Kirche ihren eigenen Aufklärungswillen nicht ernst. Wenn weiterhin kirchenpolitische Beziehungen zum Moskauer Patriarchat gepflegt werden, obwohl dort die Stichwortgeber des Angriffskrieges gegen die Ukraine sitzen, dann nimmt evangelische Kirche ihre eigenen Maßstäbe nicht ernst.

Ein moralisches Wächteramt über die Politik wird nicht mehr gebraucht, aber Klarheit und Wahrheit in Wort und Tat. Helfen könnte ein Ausstieg aus der Binnenorientierung, auch der sprachlichen und das Hereinholen von fachlicher Expertise, wo sie gebraucht wird. Denn Glauben findet sich diesseits und jenseits der institutionellen Grenzen von Kirche. Das ruft nach ernstgemeintem Dialog und Demut.


Missbrauch lückenlos aufklären

Erstens: Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Lückenlos. Anders kann nichts werden, nie. Zweitens: Klare Worte mitten in die Welt. Drittens: Echtes Hinhören. Gehörte immer zu den Hauptaufgaben von Kirche. Weil nur wer hinhört, auch wirklich bei den Menschen sein kann. Und darum geht es ja: bei den Menschen sein, nicht irgendwo anders oder gar in Wolkenkuckucksheimen. Viertens: Aus sich raus muss die Kirche gehen, unbedingt. Den Reformationsempfang haben wir in diesem Jahr bei Ritter Butzke begangen. Mit Jugendlichen. Auf ihre Sorgen und auf ihre Träume von morgen gehört. Aus uns raus bitte. Kirche, die um sich selbst kreist, ist nicht ganz bei Trost.

Deshalb fünftens die Räume geöffnet, stets und ständig, die Schätze, die so bergend sind: Im Sommer vor Hitze, im Winter vor Dunkelheit, in Angst vor allem: Vor verloren sein. Gott rettet die Kirche übrigens schon immer. Eine Kirche, die glaubt, sie könnte das selbst, ist wirklich nicht ganz bei … und Trost ist doch entscheidend in diesen Zeiten. Klare Worte mitten in der Welt in die Welt hinein.


Kirche muss nach den gleichen Regeln spielen, die für alle gelten

Meiner Meinung nach hat die Kirche in heutiger Form ausgedient. Weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland sind noch katholisch oder evangelisch. Tendenz sinkend. Wenn sich die Kirchen als Institutionen retten möchten, müssen sie endlich ihre Privilegien ablegen. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der Staat den Kirchen jedes Jahr ungeprüft zusätzlich zur Kirchensteuer 600 Millionen Euro zahlt, Steuerprivilegien gewährt, die Kirchen bei der Besetzung von Gremien wie Ethik- oder Rundfunkräten bevorzugt und es das kirchliche Sonderarbeitsrecht noch gibt.

Es ist insbesondere deshalb nicht zu rechtfertigen, weil diese Privilegien dazu führen, dass nicht-religiöse Menschen gegen ihren Willen Kirchen mitfinanzieren, überholte Rollenmodelle das Arbeitsleben einschränken und Missbrauchsskandale nicht aufgearbeitet werden. Die Kirchen müssen lernen, nach den gleichen Regeln zu spielen, wie alle anderen. Es kann kein privilegiertes Moralmonopol in einer modernen Gesellschaft geben.

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