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Politik: Rentenkonsens: Tanz ums goldene Kind - Die Jugend wird überall beklatscht - und bei der Rente beklaut (Kommentar)

Es war übrigens Jesus Christus, der erstmals die Kinder zu vollwertigen Menschen erklärte. Dieser neue Respekt vor dem Kind war ein Kernstück seiner Revolution des Empfindens.

Es war übrigens Jesus Christus, der erstmals die Kinder zu vollwertigen Menschen erklärte. Dieser neue Respekt vor dem Kind war ein Kernstück seiner Revolution des Empfindens. Was er wohl dazu sagen würde, wenn er beurteilen wollte, was diesbezüglich heute los ist, in Europa, in Deutschland? Wahrscheinlich hat die Weltgeschichte einen solchen Jugendkult, ein solches Buhlen um diese unbekannten Wesen, eine derartige Schlacht um die Mangelware Nachwuchs noch nicht erlebt. Parteien, Vereine, natürlich auch die Kirchen schmeißen sich an die Jugend ran und tanzen um das goldene Kind. Das alles ist kein Wunder, schließlich sind die Jungen die Zukunft und immerhin gibt es von ihnen, jedenfalls in den meisten westeuropäischen Ländern zu wenige. Sie sind eine begehrte Minderheit.

Minderheit zu sein hat in der Demokratie auch Nachteile. Darum kontrastiert der demonstrative, bis zur Anbiederung gehende Jugendkult scharf mit der Ruhe und Eiseskälte, mit der die Politik derzeit daran geht, die jüngeren Generationen auszubeuten, wortlos, ohne große Kontroversen. Es geht, natürlich, um die Rente.

Die komplizierten Diskussionen der letzten Wochen drehten sich nur um Marginalien: ein paar Mark mehr für die private Vorsorge, ein paar Mark weniger Rente, darum, ob die Beiträge zur Altersvorsorge oder erst die Altersvorsorge selber besteuert werden soll. Unausgesprochen bleibt, was im Wesentlichen beschlossen wird. Dass nämlich die Rentner von heute und die Rentner der nächsten zehn Jahre fast überhaupt nichts zum allseits bekannten Rentendefizit beitragen müssen.

Während die jüngeren Jahrgänge nicht nur gezwungen werden, einen konstant hohen Rentenbeitrag zu bezahlen, sondern auch noch genötigt werden sollen, eine private Altersvorsorge zu betreiben. In der Summe also steigen ihre Rentenbeiträge. Nun argumentieren Walter Riester von der SPD und Friedrich Merz von der CDU, diese Opfer seien nötig, damit die Rente auch in 30 Jahren noch sicher sei. Sicher wird sie auch sein, aber winzig klein.

Wie klein, das kann man sich leicht ausmalen, wenn man einen Faktor einbezieht, der in den Debatten unter den Tisch fällt. Die neuen Erkenntnisse der Medizin und der Genforschung legen nahe, dass die Lebenserwartung innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte doch schneller steigen wird als bisher vermutet. Kurz gesagt: Die Alten werden nicht nur sehr viele sein, sie werden möglicherweise auch 100 Jahre alt. Das wird dann doppelt kosten: mehr Rentenjahre und noch höhere medizinische Aufwendungen.

Selbstverständlich lässt sich heute noch nicht auf Heller und Euro ausrechnen, was das bedeutet. Doch das kann man sicher sagen: Für die heute Jungen wird nicht viel in der Kasse bleiben. Genauer, in ihrer Sprache: Sie werden nach Strich und Faden verarscht. Ja, so ist die Mehrheit der heute 50- bis 80-Jährigen, so sind auch die von ihnen gewählten Politiker. Sie beklatschen die Jungen - und beklauen sie in derselben Sekunde.

Was zu alledem Jesus Christus sagen würde? Das interessiert nicht einmal die CDU.

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