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Richig entschuldigen: "Briefe schreiben reicht nicht"

Barack Obama hat es elegant getan, Bahn-Chef Mehdorn eher weniger. Wie entschuldigt man sich richtig?

Herr Tiedje, wie entschuldigt man sich richtig?

Wichtig ist, dass die Allgemeinheit feststellt, ob ich es ernst meine. Das zeigt das Beispiel Hartmut Mehdorn. Im Grunde müsste sich der Bahn-Chef vor die Kameras stellen und sich bei jedem seiner 200 000 Mitarbeiter ausdrücklich für den Verdacht der Korruption entschuldigen. Das würden viele akzeptieren.

Er hat einen Brief geschrieben, in dem er „bedauerliche Fehler“ einräumt.


Das alleine reicht nicht. Briefe schreiben können auch Referenten. Allerdings glaube ich im Fall Mehdorn inzwischen, dass keine Entschuldigungen mehr helfen würden. Es hagelt ja inzwischen alle sechs Wochen Rücktrittsforderungen, wegen Zugverspätungen, ICE-Pannen oder Mehdorns Umgang mit der Öffentlichkeit.

Nach dem Rückzug seines Kandidaten für das Gesundheitsministerium hat US-Präsident Barack Obama erklärt, er selbst habe es vermasselt. Die perfekte Entschuldigung?

Sie war in der Form perfekt. Aber gleichzeitig hat sie bewiesen: Auch Obama macht Fehler. Es war sein allererstes derartiges Eingeständnis in der Öffentlichkeit – und hat prompt Kommentare wie „Der Lack blättert ab“ zur Folge gehabt.

Was wäre die Alternative gewesen?

Dass viele Kommentare gefordert hätten, er solle sich entschuldigen. Andererseits hat Obama die Messlatte an sein eigenes Handeln jetzt ziemlich hoch gelegt. Es können ja noch ganz andere Sachen passieren; und wenn er sich dann immer wieder entschuldigt, wird das mit der Zeit unglaubwürdig. Insofern war sein Bedauern schon jetzt vielleicht gar nicht so klug.

Zu viele Entschuldigungen schaden also.

Ja. Nehmen Sie Telekom-Chef René Obermann. Er hat sich nach dem Datenskandal glaubhaft entschuldigt – aber wenn immer wieder solche Sachen passieren, werden Entschuldigungen zur stumpfen Waffe.

Glauben Sie, man hat Obama zu seinem Schritt geraten? Immerhin hat er denselben Satz in mehreren Interviews gesagt.

Das wirkt tatsächlich so, als hätten ihm das seine Berater empfohlen. Dann war es Taktik, und das erkennen manche. In den Medien hat sich eine regelrechte Entschuldigungskultur etabliert, ständig werden Rufe nach Entschuldigungen laut. Es fehlt nur noch, dass sich Frau Merkel beim Papst entschuldigen soll. Umgekehrt wäre es noch schwieriger, der Papst entschuldigt sich ja nie.

Wann muss eine Entschuldigung scheitern?

Bei Christian Klar zum Beispiel. Würde sich der RAF-Mörder Klar heute entschuldigen, würde das nicht ausreichen. Denn von ihm erwartet man nicht nur eine Entschuldigung oder Reue, sondern Aufklärung: Die Öffentlichkeit will endlich wissen, wer die Mörder von Siegfried Buback oder Hanns Martin Schleyer sind. Eine Entschuldigung wäre zu wenig.

Wann wirkt eine Entschuldigung?

Vor allem muss sie ernst gemeint sein. Als Bischof Huber sich für seine Angriffe auf Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann öffentlich entschuldigte, hat er ein Zeichen gesetzt: Niemand hatte ihn dazu aufgefordert. Er hat offenbar noch einmal nachgedacht und gemerkt, dass er sich im Ton vergriffen hatte. Das war mutig, da es zu einer Zeit gegen den Mainstream ging, als jeder glaubte, Banker angreifen zu müssen.

Welche Entschuldigung fehlt bisher?

Die von Erich Honeckers Kumpanen zum Beispiel. Und ich warte auch immer noch auf eine Entschuldigung von Frau Ypsilanti bei ihrer SPD, und zwar für den Scherbenhaufen, den sie in Hessen angerichtet hat. Sie ist abgetreten, ohne sich zu entschuldigen, auch nicht bei jenen, denen sie die politische Karriere versaut hat. Sie würde es allerdings wohl auch nicht so meinen. Damit bleibt sie immerhin glaubwürdig, leider im negativen Sinne.

Warum fällt es manchen Menschen so schwer, sich zu entschuldigen?

Es gibt Menschen, die können es charakterlich nicht. Andere wollen es einfach nicht, wie Günter Grass etwa. Der denkt offenbar unverändert, er habe es nicht nötig, sich für das Verschweigen seiner SS-Vergangenheit zu entschuldigen. Wieder andere sehen keinen Grund für eine Entschuldigung, weil sie sich schlicht im Recht fühlen.

Ist eine öffentliche Entschuldigung ein Zeichen von Schwäche oder von Stärke?

Bei Bischof Huber habe ich sie eher als ein Zeichen von Stärke wahrgenommen. Doch in der Öffentlichkeit wird sie meist leider als ein Zeichen von Schwäche gewertet.

Aber fordert es die Öffentlichkeit nicht regelrecht ein, dass sich Prominente nach einem Fehler in den Staub werfen?

Das ist ja das Schizophrene. Einerseits hätten es die Menschen gerne, dass sich möglichst viele entschuldigen, andererseits wird ihnen bei den vielen Entschuldigungen auch klar, dass sie öfter nur geäußert werden, um Unangenehmem zu entgehen, um einen Rücktritt zu vermeiden, um endlich Ruhe zu haben.

Wann sind Entschuldigungen unausweichlich?

Ganz besonders bei Vergleichen mit dem Holocaust. Jeder, der so etwas tut, weiß in derselben Sekunde, dass er sich unmittelbar danach dafür entschuldigen muss. Dennoch passiert es immer wieder.

Der Medienberater Hans-Hermann Tiedje war von 1989 bis 1992 „Bild“-Chefredakteur.

Mit ihm sprach Juliane Schäuble.

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