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Corona Schnelltest

© Montage: Tagesspiegel, Fotos: Getty Images/iStockphoto,, Freepik

Königsweg aus dem Lockdown?: Schnelltests für zu Hause – die 9 wichtigsten Fragen und Antworten

Gastronomie und Kulturbranche hoffen nach der Zulassung von Corona-Tests für den Eigengebrauch auf ein Ende des Lockdowns. Wie realistisch das ist.

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Weg für Corona-Schnelltest zu Hause frei gemacht. Viele hoffen, dass dieser Weg auch aus dem Lockdown führen könnte. Am Mittwoch will die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder über Vorschläge für eine Öffnungsstrategie beraten.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnten angesichts der neuen, ansteckenderen Virusmutationen jedoch vor zu schnellen Öffnungen.

Schon jetzt fordern Vertreter des Gastgewerbes und der Kulturbranche einen flächendeckenden Einsatz der Tests, um Konzerte und Restaurantbesuche wieder möglich zu machen. Können die Corona-Schnelltests diese Hoffnung erfüllen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

1. Stoppen die Schnelltests die Pandemie?

Schnelltests können relativ sicher ansteckende Personen erkennen. Vermeiden diese Personen nach einem positiven Ergebnis Kontakte zu ihren Mitmenschen, umgehend und konsequent, ist für den Kampf gegen das Coronavirus viel gewonnen. Dann kann das Infektionsgeschehen auf Ansteckungen durch unerkannt und unbewusst Infizierte beschränkt werden.

Das spricht dafür, Schnelltests regelmäßig und breit einzusetzen. Die großen Vorteil der Schnelltests sind ihre Schnelligkeit und ihre einfache, auch laiensichere Handhabung: Die Tests liefern meist innerhalb von einer halben Stunde ein Ergebnis.

Schnelltests für zu Hause sind jetzt zugelassen, viele hoffen deshalb auf baldige Lockerungen der Corona-Maßnahmen.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Ein PCR-Test, der derzeitige Goldstandard für Virusnachweise, ist genauer, muss aber im Labor ausgewertet werden. Auf das Ergebnis muss man meist mehrere Tage warten. Schnelltests könnten also Wissen über die aktuelle Virusverbreitung unter Leute bringen – dorthin, wo die Infektionen geschehen. Das ist ihre Stärke.

Allerdings wird ein Teil der Infizierten nicht erkannt, bei den besten Schnelltests etwa jeder fünfte. Wenn das falsche Ergebnis „nicht infiziert“ als Eintrittskarte für Aktivitäten im öffentlichen Raum gelten darf, bringt es das Virus dorthin, wo sich nicht Infizierte nahekommen, und könnte seine Verbreitung fördern.

Das entspricht dem vorherrschenden Muster, dass viele Infizierte wenige weitere Menschen anstecken, wenige dafür aber umso mehr. Inwieweit neue Varianten des Virus das Einsatzgebiet von Schnelltests weiter begrenzen, ist derzeit noch nicht gut untersucht

2. Welche Schnelltests gibt es?

Schnelltests sind meist Antigentests. Sie weisen Virusteile nach, zum Beispiel Proteine der Hülle. Die meisten erfordern einen Abstrich aus dem Nasen- oder Rachenraum. Ist ein Mensch infiziert, sind Viren und Virenteile auf den Schleimhäuten vorhanden, in größerer Menge zumindest in der ansteckenden Phase der Erkrankung.

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Das entnommene Material wird mit einem Wattestäbchen in eine Lösung überführt. Die Lösung wird auf einen Teststreifen getropft, der per Verfärbung anzeigt, ob Virusmaterial enthalten ist. Bei anderen Tests wird das notwendige Material durch Gurgeln mit der Testlösung entnommen, was Getesteten den von vielen als unangenehm empfundenen Abstrich erspart.

Weitere Alternativen werden entwickelt: Abstriche nur aus dem vorderen Mundbereich, Röhrchen, in die gespuckt werden muss, oder Lutscher-Tests mit einer Art Lolli.

3. Gibt es Schnelltests-Konzepte für ein Ende des Lockdowns?

„Wenn sich jeder Bürger zweimal die Woche testen würde, könnten wir damit das Infektionsrisiko um 90 Prozent senken.“ Dafür hat der Berliner Alexander Wolf in dieser Woche die Initiative „Be a Testa“ gestartet. Die Initiatoren fordern die sofortige Notzulassung von Schnelltests für den Eigenbedarf durch das Robert-Koch-Institut, informieren über vorhandene Produkte und unterstützen Personen dabei, private Teststationen zu gründen.

Gesamtzahlen COVID-19-Fälle in Deutschland per Landkreis (Symbolbild)

© imago images/Future Image

Mit einem Dutzend Institutionen ist Wolf im Gespräch, mehr als 100 Privatleute hätten sich bereits angeschlossen. Dazu gehören Ärzte, Betreiber von Teststellen, und auch Teile der Wirtschaft und Kulturszene, die ein Interesse an dauerhaften Öffnungen haben.

Mittelfristig fordern sie ein System, das möglichst mehrere tägliche Tests vorsieht: Vor der Schule, bei der Arbeit, vor dem Mittagessen im Restaurant und vor dem Konzertbesuch. Wolf verweist auf Südkorea, wo es eine Notzulassung für Schnelltests gab.

Dass diese aber keine absolute Sicherheit garantieren, ist ihm bewusst. Er nehme auch wenige Superspreader-Events in Kauf. Wolf rechnet damit, dass für seine Strategie rund 500 Millionen Tests monatlich nötig seien. Das könne der Staat nicht organisieren, sondern solle dezentral geschehen. Die Kosten von rund vier Euro pro Test müsste jeder selbst tragen. Er hält diesen Weg solidarischer, als über Monate zu Hause zu bleiben.

4. Fließen die Ergebnisse in die Statistik ein?

Ein positives Schnelltestergebnis sollte mit einem professionell durchgeführten PCR-Test überprüft werden. Erst wenn ein labordiagnostischer Nachweis anhand von Erbgut des Virus vorliegt oder der Erreger direkt isoliert wurde, wird eine Infektion in die Fallstatistik des Robert-Koch-Instituts aufgenommen.

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Aber auch positive Antigentests sollen an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden. Sobald die Tests frei im Handel verfügbar sind und nicht mehr von medizinischem Personal durchgeführt werden, kann aber nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dies geschieht.

„Ein positives Ergebnis hat Konsequenzen, nicht nur für die Einzelperson, meistens für ganze Familien“, sagte Tobias Kurth, Direktor des Instituts für Public Health der Charité Berlin. Insofern bestünde die Gefahr, dass vor allem Infizierte ohne Symptome ihre positiven Testresultate nicht melden und sie nicht in die Statistik einfließen.

5. Wer stellt die Tests her?

Schnelltests für Laien sind – ähnlich wie OP-Masken – Medizinprodukte, die anders als Arzneimittel nicht zentral zugelassen werden müssen. Hersteller, die ihre Schnelltests für den Heimgebrauch in der EU verkaufen wollen, müssen sich aber zertifizieren lassen, dass ihr Produkt Vorgaben für die Funktionsfähigkeit und Anwenderfreundlichkeit erfüllt.

Diese Zertifizierung übernehmen in der EU meist private Dienstleister wie zum Beispiel der TÜV, die bei der EU-Kommission registriert sind. Für In-vitro-Diagnostika, wie es Schnelltests sind, gibt es derzeit 18 solcher Dienstleister, davon drei in Deutschland.

Die Zertifizierung ist erkennbar am CE-Zeichen und einer vierstelligen Nummer, die für die zertifizierende Stelle steht. Bislang gebe es noch keine zertifizierten Selbsttests auf dem deutschen Markt, teilt das Bundesministerium für Gesundheit auf Anfrage mit.

Aber es entwickelten mehrere Unternehmen Antigen-Tests, die so konzipiert sind, dass sie auch von medizinischen Laien angewandt werden können. „Mit ersten Zulassungen kann in den kommenden Wochen gerechnet werden.“ Überprüft und gelistet werden die Tests laut Bundesgesundheitsministerium dann vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

6. Können sie helfen, dass Restaurants, Bars und Hotels wieder öffnen?

Das Gastgewerbe ist eine der am stärksten vom Lockdown betroffenen Branchen. Derzeit hoffen Hotels und Restaurants, zu Ostern wieder öffnen zu dürfen. Beim Umgang mit Geimpften beziehungsweise der Frage, ob Einrichtungen für Geimpfte früher geöffnet werden könnten, hält sich der Dachverband Dehoga zurück.

Gastronomen hoffen auf eine baldige Öffnung von Restaurants und Bars mithilfe des Einsatzes von Schnelltests.

© dpa / Sebastian Gollnow

Dafür fordert die Branche aber viel mehr Corona-Schnelltests: „Es geht dabei insbesondere um die flächendeckende Ermöglichung einfach durchzuführender, möglichst kostenfreier Antigen-Schnelltests beziehungsweise neuer Spucktests, die zum Beispiel bei Veranstaltungen, Kongressen oder auf Reisen die Sicherheit für Gäste, Mitarbeiter und Unternehmer erhöhen“, sagte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga Bundesverbandes, dem Tagesspiegel.

In der Branche arbeiten hierzulande 2,4 Millionen Personen einschließlich mitarbeitender Inhaber und Familienangehöriger.

7. Könnten Kulturstätten wie Kinos und Clubs bald wieder öffnen?

Für den Kulturbereich könnten Schnelltests eine kurzfristige Lösung darstellen, um den Betrieb nach langer Pause wieder aufzunehmen. Schon im vergangenen Sommer gehörte die Kultur zu den letzten, die aus dem Lockdown zurückkehrten. Die Berliner Clubs, die inzwischen seit fast einem Jahr geschlossen sind, standen schon im Herbst in den Startlöchern, ihnen kam der zweite Lockdown dazwischen.

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Die „Clubkommission“ erklärt, dass sie bereits mit hunderten Freiwilligen, Ärzten und medizinischem Fachpersonal kooperiert. Für sie sind Schnelltests nicht einfach nur eine Lizenz zum Feiern, sie sollen vor allem eine Rückkehr in ein normales Leben ermöglichen.

Christian Bräuer von der Yorck-Kinogruppe befürwortet ebenfalls die Einführung von Tests, um den regulären Betrieb wiederaufnehmen zu können. Er sieht aber auch das Probleme der Umsetzung in den Kinos – sowie der anfallenden Kosten. Ohne finanzielle Unterstützung könnten die ohnehin schon gebeutelten Kinos solch einen Mehraufwand kaum leisten.

8. Welche Pläne gibt es für Berlin?

Schnelltests für die Kita-Erzieherkräfte in den Berliner Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln wurden nach Informationen des Tagesspiegels am Freitag ausgeliefert. Bis Ende kommender Woche sollen demnach alle 2700 Berliner Kitas ihre Schnelltests in den zuständigen Bezirken abholen können.

Doch wie es an den Berliner Schulen weitergeht, ist unklar: „Wir sind in der Endabstimmung und informieren so bald als möglich“, hieß es am Freitag aus der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit auf die Frage nach Zeitpunkt und Umfang für den Einstieg in die Testung an Schulen.

Bisher ist nur bekannt, dass die Schnelltests für Beschäftigte „in den nächsten Tagen an Kitas ausgeliefert werden sollen“, wie Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) gegenüber dem Tagesspiegel angekündigt hatte. Alle anderen Fragen blieben allerdings unbeantwortet.

Dazu gehört, wann die Testung an den Schulen beginnt. Landeselternsprecher Norman Heise plädierte am Freitag zudem dafür, dass zu Hause getestet wird, damit Betroffene mit positivem Befund die Infektion nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln weitertragen. „Die wichtigsten Fragen sind nicht beantwortet“, beklagt Heise.

9. Wie ist die Strategie in Brandenburg?

Die Landeshauptstadt Potsdam ist Vorreiter bei den Schnelltests in Kindertagesstätten. Für die rund 2500 Erzieherinnen und Erzieher stellt die Stadt bereits zweimal wöchentlich Tests zur Verfügung. Auch landesweit sollen die Schnelltests nun in Kitas, die in Brandenburg grundsätzlich geöffnet sind, zwei Mal pro Woche zum Einsatz kommen.

Die Testung sei aber Sache der kommunalen oder freien Träger. Das Ministerium erarbeite derzeit eine Förderrichtlinie, über die das Land pauschal die Sachkosten für die Schnelltests übernehmen kann. Es ist vorgesehen, dass die Testung rückwirkend ab dem 1. Februar durch das Land finanziell unterstützt wird. Die Testungen sollen bis Ende April gefördert werden.

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