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Zwei Minister, viele Institute. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) offenbarten in der Öffentlichkeit mehrfach Wissenslücken beim Thema Ehec.

© Tim Brakemeier/dpa

Risikobewertung: Ehec-Krisenmanagement: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Die Ehec-Krise in den vergangenen Wochen hat gezeigt, dass Politik und Wissenschaft Vermittlungsprobleme haben. Verbraucherschutzministerin Aigner und Gesundheitsminister Bahr haben die Lage falsch eingeschätzt.

Berlin - Zum fünfjährigen Jubiläum des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im November 2007 sagte Präsident Andreas Hensel in seiner Begrüßungsrede einen Satz, der gut passt zur aktuellen Ehec-Krise: „Die Regierung muss schauen: Wie sind Risikomanagementsysteme aufgebaut, sind sie transparent, wirken sie? Die Wissenschaft muss sich fragen: Sind wir in solch ein System integriert, werden wir genügend gefragt?“

Damit hat Hensel, ohne es zu wollen, mit seiner Beschreibung ein Dilemma offengelegt: Die strikte Trennung von wissenschaftlicher Erkenntnis und politischem Risikomanagement führt offenbar zuallererst einmal zur Verlangsamung. So jedenfalls kann man den Umgang mit dem Ehec-Ausbruch in Deutschland deuten, der seit Mitte Mai bisher mindestens 30 Menschen das Leben gekostet hat.

Dabei macht die Aufsplittung der Zuständigkeiten nach Kompetenzen Sinn. Es gibt hoch kompetente wissenschaftliche Institute wie das Robert-Koch-Institut, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung. Und dann gibt es die politische Ebene in Bund und Ländern, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Handlungsanweisungen an die Bevölkerung umsetzen muss. Die berühmt gewordene Verzehrwarnung für Gurken, Tomaten und Salate ist eine solche Anweisung. Nur die Politik allein, ob im Bund oder in den Ländern, kann eine solche Entscheidung treffen und wieder zurücknehmen.

Die Grundidee der Politik selbst war es, beispielsweise beim BfR die Wissenschaft vom Risikomanagement der Politik zu trennen. Mit dem ganzen Selbstbewusstsein des Wissenschaftlers sagte Andreas Hensel deshalb dem Tagesspiegel: „Wir sind die unabhängige Stimme der Wissenschaft. Das ist unser Auftrag. Was wir sagen, ist wissensbasiert, also haben wir eine Referenzfunktion, man kann sich an uns orientieren. Wir sind aber nicht die Oberschiedsrichter politischer Öffentlichkeitsarbeit. Das ist nicht unsere Aufgabe.“

In der Praxis war die Politik aber anscheinend nicht in der Lage, am Anfang des Ehec-Ausbruchs diese unabhängige Stimme der Wissenschaft zu verstehen. Das beste Beispiel dafür lieferte ausgerechnet Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) selbst. Am 25. Mai wird sie von der „Passauer Neuen Presse“ mit dem Satz zitiert: „Auf Gemüse muss niemand verzichten.“ Die ersten Studien des RKI hatten aber zu dem Zeitpunkt bereits ergeben, dass die am Ehec-Erreger O104 erkrankten Patienten in ungewöhnlich hoher Zahl angaben, dass sie Gemüse – Gurken, Tomaten, Salat – gegessen hatten.

An dieser Stelle hilft das von Hensel verkörperte Selbstbewusstsein des Forschers nicht weiter, denn wer ist jetzt verantwortlich dafür, dass die Informationen verstanden werden und an den höchsten politischen Stellen landen: Muss sich die Politik diese Information holen oder muss die Wissenschaft sie bereitstellen? Die verantwortlichen Stellen sowohl im Gesundheitsministerium als auch im Verbraucherschutzministerium weisen hinter vorgehaltener Hand immer darauf hin, dass man sehr wohl und sehr gerne „den Hut“ der Verantwortlichkeit aufsetzt. Aber, wird angefügt, dann müssten auch die entsprechenden Informationen geliefert werden. Das ist eine deutliche Kritik an den untergeordneten Instituten und an den Wissenschaftlern, dabei könnte es auch sein, dass die Politik, also Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) selbst, die Sache anfangs falsch eingeschätzt haben.

Spätestens am 23. Mai hätte Aigner wissen können, dass das Robert-Koch-Institut einen hohen Prozentsatz von Erkrankten befragt hatte, die Gemüse verspeist hatten. Das Argument, dieses Robert-Koch-Institut sei ja nicht dem Verbraucherministerium untergeordnet, sondern dem Gesundheitsministerium und deshalb sei diese Information erst so spät bei Aigner angelangt, also anscheinend erst nach dem 25. Mai, ist ein wirklich armseliges Argument: Kompetenzzuschnitte dürfen in einer ernsten Krise kein Hinderungsgrund sein für den Informationsaustausch.

Im Gegenteil: Mit dem Hinweis der Politik auf diese Kompetenzzugehörigkeiten, auch Gesundheitsminister Bahr hat dies mehrfach getan, um zu sagen, warum er dies oder das nicht wissen konnte, unterstreicht sie nur ihr eigenes Versagen. Die sogenannte „Task Force“ des Verbraucherministeriums wurde am Freitag, den 3. Juni, eingerichtet – zwölf Tage nach den ersten Befragungsergebnissen des RKI und acht Tage nach der Veröffentlichung eines Bulletins des RKI, in dem ganz klar von einem „der weltweit größten“ Ehec-Ausbrüche die Rede ist.

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